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Was will Die Linke?
Wolfgang Hübner über die Krisendebatte nach der Europawahl
Was will die Linkspartei? Eigentlich eine banale Frage, aber die Partei wirkt nach der Europawahl und einem Moment des Schocks wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen. Sie hat allen Grund dazu angesichts einer existenzbedrohenden Niederlage. Jetzt werden wieder Fünf-, Acht- und Zwölf-Punkte-Papiere verfasst, und Teil dieser schriftlichen Übungen ist etwas, das Vorstandsmitglied Daphne Weber »Schlagwortgefuchtel« nennt – auch das in einem Papier.
Es fällt schwer, aus der anschwellenden Welle guter Ratschläge und energischer Forderungen etwas herauszufiltern, das nach vorne weist, denn viele sagen jetzt das, was sie immer sagen. Und vieles ähnelt einander, wenngleich es in anklagendem Ton gegeneinander vorgetragen wird. Dabei ist vieles eigentlich unstrittig: Niemand wird gegen ein soziales oder sozial-ökologisches Profil sein, kaum jemand wird programmatische Unschärfen bestreiten, alle wollen mehr konkrete Arbeit vor Ort. Was ist also das Problem?
Das Problem ist die dramatische Schwäche einer Partei, die sich nach dem Ausstieg der Wagenknecht-Gruppe schon auf dem Weg der Konsolidierung wähnte. Und die nun erkennen muss, dass diese Abspaltung kein Problem löst. Dass Differenzen jetzt vollends aufbrechen, die in der internen Auseinandersetzung mit Wagenknecht (und in der machtpolitischen Kooperation mit ihr in der Bundestagsfraktion) gedeckelt waren. Manche, etwa der Vorsitzende Martin Schirdewan und der langjährige Fraktionschef Dietmar Bartsch, wollen die Partei in ihrer alten Hochburg, dem Osten, wieder stärken. Daphne Weber schlägt dagegen eine Westkampagne vor, weil es dort das größere Wählerpotenzial gibt.
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Gewiss kann es das Image als soziale Interessenvertretung aufpolieren, wenn Die Linke für ihre Abgeordneten eine Mandatszeitbegrenzung einführt und ihnen auferlegt, einen erheblichen Teil ihrer Einkünfte für soziale Zwecke zu spenden – wie es jetzt etwa der frühere Bundestagsabgeordnete Jan van Aken anregt. Aber das kann keine wirkungsvolle und einprägsame Strategie ersetzen, mit der Die Linke wieder als ernst zu nehmender politischer Faktor sichtbar wird. Dazu müsste sie sich in kurzer Zeit zusammenraufen, die vier, fünf Kernpunkte, die jetzt von vielen gefordert werden, definieren und massiv vertreten.
Dabei hilft die Unterstellung nicht viel, Die Linke kümmere sich nicht mehr um das Soziale. Es ist dies ein innerlinkes Echo der Wagenknecht-Debatte. Denn bei aller Kritik und allen Krisen gab es keine PDS- oder Linke-Führung, die die soziale Frage nicht in den Mittelpunkt gestellt hätte. Die Linke muss allerdings Wege finden, das vom Deklamatorischen wieder zur politischen Wirksamkeit zu führen.
Dafür hat sie nicht viel Zeit – bis zum Parteitag Mitte Oktober in Halle. Dann werden auch die Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen zu verarbeiten sein; nach Lage der Dinge ist nicht mit Siegesmeldungen zu rechnen. Jetzt wird viel gefordert: Erneuerung (die wievielte eigentlich?); inhaltliche Profilierung, auch außenpolitisch; programmatische Weiterentwicklung; bessere Strukturen; neue Führung. Das volle Programm eben; verständlich und nötig nach einer langen Serie weitgehend enttäuschender Wahlergebnisse.
Auch in der Parteispitze scheint man Veränderungen nicht auszuschließen – Martin Schirdewan will jedenfalls alle, auch personelle Fragen schonungslos besprechen. Daphne Weber, als Mitglied des geschäftsführenden Vorstands selbst dem innersten Führungszirkel zugehörig, ärgerte sich auf X (Twitter) dieser Tage darüber, dass »Rücktritte ja überhaupt nicht mehr im Reaktionsregister« seien. Damit dürfte der Konflikt in der Linke-Führung angekommen sein, die bisher zumindest nach außen ziemlich einheitlich agierte.
Um aus der Ratlosigkeit wieder in die Spur zu kommen, möchte Die Linke von politischen Partnern, Verbänden, Organisationen, Vertretern der Zivilgesellschaft wissen: Was wollt ihr von uns? Gute Frage. Aber was will diese Linke eigentlich selbst?
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