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»Remigration« bald deutsche Staatsräson
Abermals wird in Potsdam über verstärkte die Migrationsabwehr beraten
Berlin. Nachdem sich im November AfD-Politiker, andere Rechtsextreme und Unternehmer in der Nähe von Potsdam zur »Remigration« ausgetauscht haben, folgt nun die offizielle Politik: Am Mittwoch begann in Potsdam – Brandenburg hat den Vorsitz der Innenministerkonferenz (IMK) inne – die sogenannte Frühjahrssitzung. Auf der Tagesordnung stehen Abschiebungen verurteilter Schwerkrimineller sowie islamistischer »Gefährder« nach Afghanistan und Syrien. Aktuell sind sie wegen der dortigenSicherheitslage ausgesetzt.
Die umstrittene Forderung hatte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) erhoben. Stübgen hält dazu Verhandlungen mit den in Afghanistan herrschenden Taliban für vertretbar. Zudem habe sich die Sicherheit in Syrien verbessert, argumentiert er. »Wir bringen 400 Millionen Euro Hilfe nach Afghanistan – diese Kontakte sollten wir nutzen«, betonte Stübgen.
Bei der Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat der konservative IMK-Vorsitzende damit offene Türen eingerannt: Die SPD-Politikerin hat bereits geprüft, wie derartige Abschiebungen auch ohne eine Wiederaufnahme von Beziehungen zu den regierenden Taliban in Afghanistan beziehungsweise der Regierung von Syriens Präsident Baschar al-Assad funktionieren könnten. Über Ergebnisse will Faeser ihre Länderkollegen in Potsdam informieren.
Bereits am Dienstag hatte Faeser über entsprechende Anstrengungen ihres Ministeriums berichtet. Was Afghanistan betrifft, gibt es inzwischen Kontakte zu den Behörden in Usbekistan. Auch für Syrien gelte: »Wir reden mit Nachbarländern«, sagt sie am Dienstag. Bezüglich Syrien dürfte der Libanon der bevorzugte Gesprächspartner sein; die Regierung hat im Mai ein Migrationsabkommen mit der EU-Kommission geschlossen. Allerdings ist unklar, welchen Preis die Länder verlangen, um als Vermittler bei Abschiebungen aus Deutschland zu fungieren. »Wir verhandeln vertraulich«, sagte die SPD-Politikerin dazu der »Neuen Osnabrücker Zeitung«.
Die Abschiebungen in das Bürgerkriegsland Syrien und das von den Taliban übernommene Afghanistan sollen zunächst für verurteilte Schwerkriminelle sowie islamistische »Gefährder« erfolgen. Das gefällt nicht nur den CDU-geführten Bundesländern. »Wer hier schwere Straftaten begeht, muss das Land verlassen, auch wenn er beispielsweise aus Afghanistan kommt«, sagte Hamburgs Innensenator Andy Grote, Sprecher der SPD-geführten Länder in der IMK. Zustimmung kommt auch von Vizekanzler Robert Habeck. Terroristen, Gefährder und auch Mörder könnten sich nicht auf den Schutz des Landes berufen, dessen Ordnung sie mit Füßen träten, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch in Berlin vor dem Abflug zu einer Ostasien-Reise.
Die Wiederaufnahme von Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien ist kein neues Thema. Nach mehreren tödlichen Messerangriffen in den vergangenen Wochen, darunter durch afghanische Täter in Mannheim und zuletzt in Wolmirstedt bei Magdeburg, gewann die Debatte darum wieder an Dynamik. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach dem Tod eines Polizisten in Mannheim angekündigt, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und sogenannten Gefährdern nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen zu wollen.
Es ist nicht die einzige Forderung, über die in Potsdam hinter verschlossenen Türen beraten wird. Sachsen-Anhalts Innenministerin Tamara Zieschang (CDU) fordert etwa den umgehenden Stopp des Bundesaufnahmeprogramms für gefährdete Menschen aus Afghanistan. Zudem verlangen die Länder von der Bundesinnenministerin die Verhandlung weiterer Abkommen mit Herkunftsländern zur Rücknahme ausreisepflichtiger Staatsbürger aus Deutschland.
Am Donnerstag sollen die Anstrengungen zur Migrationsabwehr auch auf der Ministerpräsidentenkonferenz besprochen werden. Bei den Beratungen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geht es auch um den Vorschlag, Asylverfahren an Drittstaaten auszulagern. Die 16 Länderchefs hatten die Ampel-Regierung in Berlin aufgefordert, derartige Möglichkeiten zu prüfen und die Ergebnisse bei der nächsten Bund-Länder-Konferenz an diesem Donnerstag vorzulegen.
Betrachtet wurde unter anderem das sogenannte Ruanda-Modell. Es sieht vor, Asylsuchende von Großbritannien nach Ruanda zu bringen, wo sie ein Asylverfahren durchlaufen und dann gegebenenfalls auch Schutz erhalten sollen. Beschäftigt hat sich das Ministerium auch mit den noch nicht in der Praxis erprobten Plänen Italiens, das bestimmte Bootsmigranten nach Albanien bringen will, wo sie ein Asylverfahren in italienischer Regie durchlaufen sollen.
Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte lehnt Überlegungen zu Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der EU ab. Denn der Plan der britischen Regierung, Asylverfahren künftig etwa in Afrika durchzuführen, sei »krachend an der Realität gescheitert«, sagte der SPD-Politiker. Winfried Kluth, Mitglied des Sachverständigenrats für Integration und Migration, wies darauf hin, dass geprüft werden müsse, ob das Prinzip der Nichtzurückweisung in einen Staat, in dem Folter, unmenschliche Behandlung beziehungsweise schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, eingehalten wird. Ein negatives Votum gab auch das Deutsche Institut für Menschenrechte ab.
Über 300 Organisationen haben sich dazu am Mittwoch in einem offenen Brief an Scholz sowie die Länderchefs gewandt. »Bitte erteilen Sie Plänen zur Auslagerung von Asylverfahren eine klare Absage«, fordern die Verfasser. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Amnesty International Deutschland, Ärzte ohne Grenzen und Pro Asyl. Flüchtlinge in außereuropäische Drittstaaten abzuschieben oder Asylverfahren außerhalb der EU durchzuführen, sei extrem teuer und stelle eine Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit dar, heißt es in dem Brief.
In einer gemeinsamen Stellungnahme forderten auch die Diakonie, Brot für die Welt und die Evangelische Kirche in Deutschland, von Abschiebungen nach Afghanistan oder Syrien abzusehen. Asylverfahren an Drittstaaten auszulagern sei »unsolidarisch und menschenrechtlich bedenklich«, kritisierte die Präsidentin von Brot für die Welt, Dagmar Pruin. »Sich der eigenen Verantwortung für notleidende Menschen zu entziehen, indem man die Aufgabe anderen, ärmeren Staaten aufbürdet, ist unverantwortlich, unrechtmäßig und dazu unrealistisch. Es schafft das Flüchtlingsrecht de facto ab«, fügte die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, Anna-Nicole Heinrich, hinzu.
Flüchtlings-Organisationen wollen am Donnerstagnachmittag vor der IMK-Sitzung in Potsdam gegen eine verschärfte Migrationspolitik protestieren. »Geflüchtete Menschen brauchen Schutz – keine rassistische Hetze«, heißt es in einem Appell. Mit Agenturen
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