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Nachhaltiges Stadtquartier: »Buckower Felder«
Richtfest für den Prototyp eines Wohnhauses in Holzbauweise in Berlin-Neukölln zieht Berliner Politprominenz an.
Zu Elektropopklängen wird der Richtkranz mit einem Kran in die Höhe gezogen. Es ist der fast letzte Abschnitt des Richtfestes für den Prototyp eines nachhaltigen Typenbaus auf den »Buckower Feldern« im Süden Neuköllns, einen Steinwurf von der Landesgrenze zu Brandenburg entfernt. Während der grüne Kranz mit vier aufgesetzten Bügeln über dem fertigen Rohbau schwebt, vesucht sich die anwesende Politprominenz im Hämmern. Bausenator Christian Gaebler (SPD), Umweltsenatorin Ute Bonde (CDU) und der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) schlagen symbolisch die letzten Nägel für den Bau in einen für die Show präparierten Holzbalken. Bonde und Gaebler haben zu kämpfen. »Ich habe gedacht, das macht jemand anderes für mich«, scherzt die Umweltsenatorin, auch wenn sie in ihrem Grußwort zuvor noch gesagt hatte, sie fühle sich auf Baustellen einfach wohl.
Die »Buckower Felder« sind das größte Einzelprojekt des landeseigenen Wohnungsunternehmens Stadt und Land. Ein ganzes Quartier soll dort bis Ende 2027 fertiggestellt werden. Die ersten der insgesamt rund 900 geplanten Wohnungen sollen im kommenden Oktober bezogen werden. Dem Anlass entsprechend wird auf der Bühne mit Lob und Dank nicht gespart. »Im Stadtquartier ›Buckower Felder‹ entsteht für viele Menschen ein neues und bezahlbares Zuhause«, sagt Bausenator Gaebler. Sein Parteikollege Martin Hikel pflichtet ihm bei: »Die ›Buckower Felder‹ sind ein wichtiges Projekt der nachhaltigen Stadtentwicklung.«
Richtfeste sind eigentlich ein Anlass, um Bauarbeiter und Bauherren zusammenzubringen. Am Mittwoch spielen Erstere aber nur eine untergeordnete Rolle. Lediglich Polier Hobe Mahrt hält traditionsgemäß eine kurze Ansprache, den Richtspruch. Er spricht seinen Dank an den Bauherren aus und bittet um Segen für das Haus. Dafür zerschlägt er ein Glas. Das soll Glück bringen.
Der besondere Rummel am Mittwochmorgen liegt an einem einzelnen der vielen Wohnhäuser im Bau. Es ist das sogenannte »Typenhaus Eco«, ein Pilotprojekt, mit dem der serielle Bau von Wohnhäusern in Holzbauweise in Berlin erprobt wird. Ingo Malter, Geschäftsführer der Stadt und Land, erklärt im Gespräch mit »nd« das Projekt. Das Haus sei ein Holzhybridbau, so Malter. 20 bis 25 Prozent seien aus Holz. »Es gibt einen aussteifenden Betonkern – der das Treppenhaus und die Aufzugsanlage aufnimmt.« Die Innenwände, die Decken und die Außenverkleidung seien aber aus Holz, so Malter weiter. Die CO2-Einsparung ist nach Berechnungen der Stadt und Land enorm: Im Vergleich zur sonst üblichen Massivbauweise ließen sich mit der Ökovariante 40 bis 50 Prozent an Treibhausgasemissionen einsparen.
Das Projekt ist von der Berliner Umweltverwaltung gefördert und wird von Universitäten begleitet. Neben dem Prototyp entsteht ein Zwillingsbau in Massivbauweise. Beide Gebäude sollen »zum Zwecke des Erkenntnisgewinnes« über zwei Jahre wissenschaftlich beobachtet und ausgewertet werden.
»Wir sollen preisdämpfendwirken, und wir sollen für breite Bevölkerungsgeschichten Wohnraum anbieten. Und das machen wir auch gerne.«
Ingo Malter
Geschäftsführer Stadt und Land
Auch wenn nur eines der Gebäude des Quartiers in Holzbauweise gebaut wird, wird das ganze Gelände nachhaltig geplant. Geheizt werden soll im Quartier mit energiesparender Abwasserwärmerückgewinnung. Begrünte Dächer und Rigolen, unterirdische Pufferspeicher, sollen das Regenwasser auf dem Gelände halten. »Wir haben ein sehr pfiffiges Regenwasserkonzept«, sagt Malter. »Das ist also auch ein Beitrag zur Schwammstadt Berlin.«
Im Gebäude selbst lässt sich nur erahnen, wie die Wohnungen am Ende aussehen werden. Als Bauholz für die Balken und Decken wurde Fichte verwendet, für die Fassadenverkleidung beständiges Lärchenholz. »Holzbau macht dann am meisten Sinn, wenn das Holz regional vorhanden ist«, sagt Alexander Stolzenberg von der Bereichsleitung Technik der Stadt und Land zu »nd«. Die in Berlin und Brandenburg allgegenwärtige Kiefer zu verbauen, sei wegen des hohen Harzanteils schwierig. Aber es wird aktuell mit Kiefernholz experimentiert.
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Die Stadt und Land ist überzeugt von ihrem Konzept. Deswegen ist das Typenhaus auch eine Open-Source-Planung. Das heißt, wer die Planung haben will, kann sie kostenlos haben. In der Ukraine, wo man dafür geworben habe, sei das bereitwillig aufgegriffen worden, berichtet Ingo Malter. »Wenn wir ein Erfolgsmodell haben, warum sollen das nicht andere auch machen?«.
Und wer soll sich die Miete im Erfolgsmodell leisten können? Die Hälfte der Wohnungen ist gefördert. In diesen Wohnungen müssen Mieter*innen zwischen 6,50 und 8,10 Euro pro Quadratmeter zahlen. »Das ist ja unser Auftrag: Wir sollen preisdämpfend wirken, und wir sollen für breite Bevölkerungsgeschichten Wohnraum anbieten. Und das machen wir auch gerne«, sagt Malter. Im nicht geförderten Bereich werde der Quadratmeterpreis im Schnitt eher bei 12 Euro liegen. »Wir können nicht ausschließlich geförderte Wohnungen bauen. Sonst wird das ökonomisch problematisch«, so Malter.
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