Sozial unverträglich

Martin Ling über das Treffen des argentinischen Präsidenten mit dem deutschen Kanzler

Bundeskanzler Olaf Scholz empfängt Javier Milei (l), Präsident von Argentinien, vor dem Bundeskanzleramt, sozialverträglich. Ansonsten kein Markenzeichen ihrer Politik.
Bundeskanzler Olaf Scholz empfängt Javier Milei (l), Präsident von Argentinien, vor dem Bundeskanzleramt, sozialverträglich. Ansonsten kein Markenzeichen ihrer Politik.

Die Botschaft des »Anti-Milei-Monats« in Deutschland ist offenbar bei Bundeskanzler Olaf Scholz angekommen. Denn laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit hat Scholz sich am Sonntag bei einem Treffen mit dem argentinischen Präsidenten Javier Milei für Sozialverträglichkeit der radikalen Wirtschaftsreformen in dem südamerikanischen Land starkgemacht. Hebestreit hatte am Freitag Distanz zu Milei erkennen lassen, die lange nicht erkennbar war: »Man kann sich in der Weltpolitik nicht aussuchen, mit wem man es zu tun hat.«

Seit dem 25. Mai hatten in Deutschland Organisationen und Bewegungen der deutschen und diasporischen lateinamerikanischen Zivilgesellschaft zu einem »Anti-Milei-Monat« aufgerufen und viele Veranstaltungen und Demonstrationen organisiert. Höhepunkt waren die Proteste in Hamburg am Samstag gegen die Verleihung der Hayek-Medaille durch die wirtschaftsliberale Hayek-Gesellschaft und das Anti-Milei-Festival in Berlin, dem am Sonntag Proteste vor dem Bundeskanzleramt folgten.

Die Demonstranten kritisieren an Milei nicht zuletzt das, was auch Scholz laut Hebestreit betont hat: Der Schutz des gesellschaftlichen Zusammenhalts sollte ein wichtiger Maßstab bei den Wirtschaftsreformen sein. Doch schon jetzt ist offensichtlich, dass Milei der gesellschaftliche Zusammenhalt in seinem Land schnuppe ist. Nach offiziellen Angaben der argentinischen Regierung führte die Umsetzung des sogenannten Kettensägen-Plans allein in den ersten 120 Tagen seiner Amtszeit zur Entlassung von über 15 000 öffentlichen Angestellten. Wegen der weiter steigenden Lebenshaltungskosten sind seit seinem Amtsantritt am 10. Dezember – dem Tag der Menschenrechte – Millionen von Menschen zusätzlich in Armut geraten. 10 Millionen Menschen hängen von der Versorgung durch Suppenküchen ab, deren Belieferung mit Lebensmitteln die Regierung Milei ausgesetzt hat.

Ob es sich bei Scholz’ Auslassungen um mehr als eine Sonntagsrede gehalten hat, wird sich alsbald zeigen: Wenn es um die Weiterverhandlung des Freihandelsabkommens mit dem Mercosur-Bündnis geht, bei dem Argentinien hinter Brasilien die zweitwichtigste Rolle spielt. Da geht es um europäischen und deutschen Zugriff auf lateinamerikanische Rohstoffe wie Lithium, das Argentinien reichlich hat.

In seiner gegenwärtigen Form hat das EU-Mercosur-Handelsabkommen gravierende Mängel im Bereich der Menschenrechte, des Naturschutzes und des Klimaschutzes. Den Klimawandelleugner Milei stört das nicht die Bohne. Bisher setzen Deutschland und die EU auf einen Ausverkauf unter anderem bei den argentinischen Ressourcen und räumen wieder einmal der Wirtschaft Vorrang vor den Menschenrechten ein. Wenn Scholz seinen Anspruch der Sozialverträglichkeit ernst nimmt, kann das nicht so bleiben. Der Beweis dafür steht aus.

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