• Politik
  • Staatsbesuch des argentinischen Präsidenten

Kein großer Staatsbahnhof für Milei

Proteste gegen Verleihung von Hayek-Medaille in Hamburg

  • Lesedauer: 3 Min.
Argentiniens Präsident Javier Milei wird von Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt.
Argentiniens Präsident Javier Milei wird von Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt.

Berlin.  Der Empfang mit militärischen Ehren wurde kurzfristig abgesagt, die gemeinsame Pressekonferenz auch: Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich am Sonntag im Berliner Kanzleramt hinter verschlossenen Türen mit dem argentinischen Präsidenten und selbst ernannten »Anarchokapitalisten« Javier Milei getroffen. Zum Auftakt gab es nur einen kurzen Fototermin, beide begrüßten sich mit Handschlag vor der Regierungszentrale. Die direkte Konfrontation mit Journalisten liegt dem argentinischen Staatschef nicht: Auch in seiner Heimat gibt er praktisch nie Pressekonferenzen

Für das Gespräch war lediglich eine Stunde vorgesehen – auf Wunsch Mileis, wie es von deutscher Seite heißt. Vor dem Kanzleramt protestierten während der Begrüßung mehrere Dutzend Demonstranten mit Plakaten wie »Weg mit Milei« gegen den Besuch.

Der Staatschef der zweitgrößten Volkswirtschaft Südamerikas, die zur G20-Staatengruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer gehört, gilt als Exzentriker und wird oft mit dem früheren US-Präsidenten Donald Trump verglichen. Im Wahlkampf trat er mit laufender Kettensäge auf, unliebsame Parlamentarier tituliert er gerne als »Ratten« und der Staat ist für ihn die Wurzel allen Übels. Milei will Argentinien, das seit Langem in einer tiefen wirtschaftlichen Krise steckt, mit einem radikalen Sparprogramm wieder auf Kurs bringen.

Laut Regierungssprecher Steffen Hebestreit habe sich Scholz bei dem Treffen für eine Sozialverträglichkeit bei den Reformen stark gemacht. Der Kanzler habe auch unterstrichen, dass der Schutz des gesellschaftlichen Zusammenhalts ein wichtiger Maßstab dabei sein sollte, so Hebestreit. Nach Angaben der Katholischen Universität Argentiniens leben knapp 56 Prozent der Menschen in Argentinien unter der Armutsgrenze und rund 18 Prozent in extremer Armut. Die Reformen Mileis haben bereits zu gewaltsamen Protesten im Land geführt.

Milei war bereits am Samstag in Deutschland eingetroffen und hatte in Hamburg die Medaille der einst liberalen und wie Kritiker meinen mittlerweile weit nach rechts abdriftenden Friedrich August von Hayek-Gesellschaft erhalten – in Anwesenheit der AfD-Politikerin Beatrix von Storch und des Vorsitzenden der rechtskonservativen Werteunion, Hans-Georg Maaßen. In seiner Rede schlug Milei für seine Verhältnisse moderate Töne an, verzichtete auf jeden Bezug zu Deutschland und schilderte in erster Linie sein Verständnis von Politik. Die rund 200 Zuhörer jubelten ihm zu, immer wieder riefen sie in Sprechchören »Libertad« (Freiheit). Vor dem Veranstaltungsort demonstrierten mehrere hundert Menschen unter dem Motto »Nein zu Milei in Hamburg«.

Vor Scholz haben bisher nur vier Staats- und Regierungschefs Milei seit dessen Amtsantritt vor einem halben Jahr empfangen: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, El Salvadors Präsident Nayib Bukele und Papst Franziskus als Staatsoberhaupt des Vatikans. Die für argentinische Präsidenten üblichen Reisen in die wichtigen Nachbarländer wie Brasilien und Chile ließ Milei wegen ideologischer Differenzen ausfallen. In den USA war er zwar bereits mehrfach – aber ohne Termin im Weißen Haus. Stattdessen traf er sich mit Tesla-Boss Elon Musk und Ex-Präsident Trump.  Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -