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Neonazi auf Drittem Weg im Kreistag

Der früher in der NPD aktive Landwirt Mario Schulz schaffte in der Prignitz einen bedenklichen Achtungserfolg

  • Robin Maxime Pohl
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Neonazipartei ist viel eher für Aufmärsche bekannt als dafür, dass sie bei Wahlen antritt - und dann auch noch ein Mandat gewinnt.
Die Neonazipartei ist viel eher für Aufmärsche bekannt als dafür, dass sie bei Wahlen antritt - und dann auch noch ein Mandat gewinnt.

Nach der Europa- und Kommunalwahl am 9. Juni war der Schock über die Erfolge der AfD in ostdeutschen Kommunen groß. Der Zuspruch für extrem rechte Politik bildet zugleich einen Nährboden für die Neonaziszene. Das zeigte sich besonders deutlich im Nordwesten Brandenburgs. Mit stellenweise zweistelligen Zustimmungswerten konnte die Neonazipartei Der III. Weg einen Sitz im Kreistag der Prignitz gewinnen. Landwirt Mario Schulz ist damit bundesweit erst das zweite Mitglied der Kleinstpartei, das in eine kommunale Volksvertretung einzog.

Grundsätzlich spielen demokratische Institutionen beim III. Weg kaum eine Rolle. Die Partei versteht sich als nationalrevolutionär und strebt einen völkischen Umsturz an. Der Status als Partei ist eher Teil der politischen Strategie, da so ein mögliches Verbot erschwert wird. Damit unterscheidet sich der III. Weg von der früheren NPD. Unter dem neuen Namen »Die Heimat« geht diese auch jenseits der gefestigten Neonaziszene auf Stimmenfang. Bei den Brandenburger Kommunalwahlen konnte die NPD so zwei Kreistagssitze gewinnen. Dies ist jedoch nur ein Schatten ihrer früheren Präsenz in Brandenburger Kommunalparlamenten.

Der III. Weg ist bei Wahlen bisher nur vereinzelt angetreten. Kandidaturen für die Kreistage der Prignitz und der Uckermark sowie für die Stadtverordnetenversammlung von Wittstock/Dosse zeigen, wo die Schwerpunkte liegen. Generell ist Nordbrandenburg in den vergangenen Jahren zu einem organisatorischen Zentrum der bundesweit aktiven Neonazipartei geworden. Bei Angermünde in der Uckermark lebt der amtierende Bundesvorsitzende Matthias Fischer. Doch auch in der Prignitz ist die Partei seit einigen Jahren immer stärker öffentlich präsent.

Verantwortlich für dieses Erstarken ist auch Mario Schulz. Politisch ist er in der Region kein Unbekannter. Früher war der 1966 in Wittenberge geborene Schulz in der NPD. 2003 wurde er sogar Landesvorsitzender und zog für die NPD zum ersten Mal in den Kreistag der Prignitz ein. Ein Jahr später verließ er die Partei jedoch im Streit. Diese habe Kernelemente neonazistischer Politik wie das sogenannte Abstammungsprinzip nicht mehr ausreichend vertreten, meinte er.

Nach 2004 war Schulz in der Bewegung Neue Ordnung (BNO) und im sogenannten Schutzbund Deutschland aktiv. Nach dem Verbot des Schutzbunds im Jahr 2006 zog sich Schulz aus der Öffentlichkeit zurück. Erst während der Corona-Pandemie erschien er wieder auf der Bildfläche. Als der III. Weg Ende 2021 eine Versammlung gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in Wittstock/Dosse organisierte, trat Schulz dort als Redner auf. Ähnliche Veranstaltungen folgten in weiteren Orten der Gegend. Schulz war regelmäßig dabei.

Inzwischen ist Schulz Mitglied im Landesvorstand. Sein Weg zeigt, wie die Partei gezielt ehemalige Kader der Neonazi-Bewegung anwirbt. Im Fall von Schulz bescherte das der Partei ihr momentan einziges politisches Mandat bundesweit. Im Kreistagswahlkreis 1 erhielt er 767 Stimmen, seine Partei in der Prignitz insgesamt 1788 Stimmen, was einem Ergebnis von 1,5 Prozent entspricht.

Der Zuspruch für Schulz hat sicherlich auch etwas mit dem Auftreten des III. Wegs in der Region zu tun. Während die Partei beispielsweise in der Uckermark eher allgemeinpolitische Themen wie die Migration in den Vordergrund stellt, inszeniert sie sich im nordwestlichen Teil des Landes gezielt als bäuerliche Interessenvertretung.

In der Prignitz waren neben Schulz noch drei weitere der insgesamt fünf Kandidaten in der Landwirtschaft tätig. Schulz kennt die Probleme der Landwirte aus eigener Erfahrung. Im Zuge der Bauernproteste im Winter organisierte der III. Weg im Januar eine eigene Protestveranstaltung in Wittstock/Dosse. Trotz antidemokratischer Slogans wie »Bauernstand revolutionieren« und »Ja zur Zukunft heißt Nein zum BRD-System« nahmen auch zahlreiche Personen abseits der rechten Kernszene am Aufzug teil.

Neben Schulz war der Neonazi Lutz Meyer mit seinem Traktor prominent vertreten. Der in Baden-Württemberg geborene Meyer zog Anfang der 2000er Jahre als Landwirt nach Pritzwalk. Wie Schulz engagierte er sich in der neonazistischen BNO und im Schutzbund Deutschland.

Mittlerweile sitzt Meyer ebenfalls im Landesvorstand des III. Wegs. Im Wahlkampf zeigte er sich auf einem Werbefoto mit einer Mistgabel und dem Slogan »Prignitzer Bauern misten aus«. Bei der Kommunalwahl scheiterte Meyer jedoch mit seiner Kandidatur. Insgesamt kam der III. Weg selten irgendwo über 1,5 Prozent hinaus und blieb vielfach unter einem Prozent. Während die AfD einen Großteil des extrem rechten Stimmenpotenzials absorbiert, ist die Zustimmung für explizit neonazistische Positionen relativ gering.

Doch es gibt Ausnahmen. Im Wahlbezirk Lanz in der Prignitz erhielt der III. Weg sogar 19,2 Prozent und landete damit als drittstärkste Kraft knapp hinter der AfD (20,6 Prozent) und der CDU (21,2 Prozent). Im angrenzenden Wahlbezirk Cumlosen erhielt der III.Weg 9,9 Prozent. Das ist kein Zufall. In Lanz lebt Mario Schulz mit seiner Frau Karin. Sie und ein weiteres Familienmitglied traten ebenfalls für den III. Weg an.

Der Einzug von Schulz in den Kreistag ist wohl weniger Ausdruck einer breiten Zustimmung für seine neonazistische Einstellung. Vielmehr scheint die Verankerung der Familie im dörflichen Lebensumfeld Grundlage des Wahlerfolgs zu sein. Als Schulz 2022 bei der Landratswahl antrat und 8,22 Prozent der Stimmen holte, war das für ihn Anlass, einen »Sturm auf den Kreistag« auszurufen.

Thomas Wisch vom brandenburgischen Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus sieht die Gefahr einer Normalisierung. »Die Wahlergebnisse zeigen, wie alltäglich Rechtsextremismus in Brandenburg geworden ist«, beklagt er.

Gruppen wie der III. Weg seien »Kernorganisationen und Gesinnungsgemeinschaften für den militanten Neonazismus«, von denen grundsätzliche Gefahren ausgingen, schätzt Christoph Schulze ein. Der Politikwissenschaftler forscht am Moses-Mendelssohn-Zentrum der Universität Potsdam seit Jahren zu extrem rechten Strukturen in Brandenburg.

Als Kreistagsabgeordneter wird Schulz wenig Einfluss gewinnen. Bereits als Schulz einst für die NPD im Kreistag saß, war er eher als »großer Schweiger« bekannt, wie sich der Landtags- und Kreistagsabgeordnete Thomas Domres (Linke) erinnert. Domres ist sich aber sicher, dass allein die Anwesenheit eines bekennenden Neonazis das Klima im Kreistag verschlechtern werde, auch wenn es von den anderen Parteien wohl keine Zusammenarbeit mit diesem geben wird.

Der Mandatsgewinn ist für Schulz ein Achtungserfolg, der seiner Partei den Anschein demokratischer Legitimität verleiht. Am 22. September wird sie bei der Landtagswahl darauf aufbauen wollen. Dass der III. Weg die Fünf-Prozent-Hürde meistert und ins Parlament einzieht, ist aber so gut wie ausgeschlossen.

»Die Wahl-ergebnisse zeigen, wie alltäglich Rechtsextremismus in Brandenburg geworden ist.«

Thomas Wisch
Aktionsbündnis Brandenburg
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