Wenig Interesse an Gefahr durch IS

Linke wirft Bundesregierung vor, durch Untätigkeit das Wiedererstarken des Islamischen Staats zu fördern

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.
Frauen (l), die mit Kämpfern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verwandt sind, sitzen im Flüchtlingslager Al-Hol in der Provinz Hasakeh, Syrien, neben Wächter der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), während sie darauf warten, mit Bussen und Lastwagen in ihre Häuser zurückzukehren.
Frauen (l), die mit Kämpfern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verwandt sind, sitzen im Flüchtlingslager Al-Hol in der Provinz Hasakeh, Syrien, neben Wächter der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), während sie darauf warten, mit Bussen und Lastwagen in ihre Häuser zurückzukehren.

Wie groß ist derzeit die Gefahr durch den Islamischen Staat (IS), dessen arabisches Akronym Daesch lautet? Laut der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien sind weiterhin IS-Schläferzellen vor Ort aktiv, und die Sicherheitslage in den Flüchtlingslagern Al-Hol und Roj, wo Zehntausende Personen aus IS-Familien leben, ist äußerst prekär. Die Gefängnisse stecken voll mit Tausenden IS-Kämpfern. Darunter sind mutmaßlich Deutsche, auch wenn die Bundesregierung davon ausgeht, dass sich diese nur in den Lagern befänden.

Auf eine Kleine Anfrage der Linke-Abgeordneten Gökay Akbulut musste die Bundesregierung de facto eingestehen, dass sie praktisch keinerlei Kenntnisse hat über die Zahl von IS-Kämpfern mit Deutschlandbezug. Konsularische Betreuung der Festgehaltenen findet auch nicht statt, weil es keine offiziellen Beziehungen zur Selbstverwaltung gibt. Auch wurden bisher keine inhaftierten deutschen IS-Anhänger*innen nach Deutschland zurückgeholt, heißt es in der Antwort. Jedoch seien »in sieben aufwendigen Operationen« insgesamt 27 deutsche Frauen, 80 Kinder und ein Heranwachsender aus Lagern in Nordost-Syrien zurückgeholt worden.

Die Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien ist fest entschlossen, die IS-Verbrecher selbst vor Gericht zu stellen und abzuurteilen – bei Tausenden mutmaßlichen Tätern eine Mammutaufgabe. Unterstützung bekommt sie dafür aber nicht, auch nicht von deutscher Seite: »Mangels offizieller Beziehungen zur ›Selbstverwaltung‹ findet auch keine strafrechtliche Zusammenarbeit mit Strukturen der ›Selbstverwaltung‹ statt. Damit gibt es auch keine Überstellungen«, heißt es lapidar in der Antwort auf die Kleine Anfrage.

Für Gökay Akbulut ist das nicht hinnehmbar: Sie vermisst bei der Bundesregierung den Willen zur strafrechtlichen Verfolgung der IS-Verbrechen. Diese habe weder den politischen Willen gezeigt, »dass ein internationales Tribunal eingesetzt wird, noch hat sie sich ernsthaft darum bemüht, dass deutsche IS-Kämpfer in größerer Zahl zurückgeholt und hier in Deutschland vor Gericht gestellt werden«. Deutschland habe eine Verantwortlichkeit für die deutschen IS-Kämpfer, fügt Akbulut hinzu.

Nach Kenntnis der Bundesregierung seien bis zum 10. April 2024 insgesamt 467 Islamist*innen, die ab 2011 Richtung Syrien/Irak aufgebrochen waren, nach Deutschland zurückgekehrt, davon »sind 416 selbstständig nach Deutschland zurückgekehrt«. Für Akbulut ein unhaltbarer Zustand, dass die Zahl der selbstständigen Rückkehrer die der Zurückgeholten übersteigt: Die große Zahl von IS-Anhängern in Gewahrsam der Selbstverwaltung stelle »ein großes Sicherheitsrisiko für die Region« dar. Durch Nichtstun erhöhe die Bundesregierung die Gefahr einer Radikalisierung in den Lagern und eines Wiedererstarkens des IS.

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