Werbung

Erbe eines Wahl-Italieners

Die Streitsche Sammlung, derzeit präsentiert Berlin, entführt ins Venedig des 18. Jahrhunderts

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Von wem dieses Gemälde mit dem Titel »Die Regatta auf dem Canal Grande« (1759/60, Öl auf Leinwand) stammt, ist unbekannt – im Original betrachten kann man es derzeit in Berlin.
Von wem dieses Gemälde mit dem Titel »Die Regatta auf dem Canal Grande« (1759/60, Öl auf Leinwand) stammt, ist unbekannt – im Original betrachten kann man es derzeit in Berlin.

Der Blick des Betrachters fällt auf das Panorama des Canal Grande in Venedig, der einen leichten Bogen macht und bis zur Rialtobrücke im Hintergrund reicht. Zu beiden Seiten des Flusses die prächtigen Fassaden der Palazzi, während Boote an den Anlegestellen ruhen oder Traghetti, die für Venedig typischen Gondelfähren, über das Wasser gleiten. Es ist gewöhnlicher Alltag. Was haben die in unterschiedlichen Haltungen dargestellten Figuren in den Barken zu erzählen? Gleichmäßig hat der Maler den Bildraum ausgeleuchtet und eine erhöhte Horizontlinie gewählt, um in weiten Erzählräumen das Bildgeschehen in allen Einzelheiten vorzuführen. Das ist charakteristisch für den Venezianer Bellotto, der sich auch Canaletto nannte und der mit seinen Veduten (Stadtansichten) dem Venedig des 18. Jahrhunderts zu unvergänglichem Reiz verhalf.

Allein 48 Bilder von venezianischen Malern, darunter auch diese Darstellungen des Canal Grande und die »Ansicht des Campo di Rialto« von Canaletto, enthält die Sammlung zeitgenössischer Malerei, die der Berliner Kaufmann Sigismund Streit, 1709 nach Venedig ausgewandert, in der Lagunenstadt zusammengetragen hat. Er übereignete sie als Stiftung dem Berlinischen Gymnasium zum Grauen Kloster, das er einst besucht hatte. 1964 hatte das Gymnasium die Streitsche Stiftung der Berliner Gemäldegalerie als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. So konnte diese ihre Sammlung venezianischer Malerei erweitern, die sich über fünf Jahrhunderte erstreckt – vom Trecento bis zum Cettecento, von Lorenzo Veneziano über Tizian bis zu Canaletto und Guardi.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

1739 hatte Streit in Venedig sein Porträt bei Jacopo Amigoni in Auftrag gegeben. Dieser hatte das repräsentative Halbfigurenformat gewählt und den Porträtierten in entspannter Haltung in seinem Hausmantel im Sessel sitzend dargestellt. Streit hat dann noch zehn weitere Gemälde von Amigoni mit Themen aus der Mythologie, aber auch aus dem Alten Testament erworben. War die Sammlung bis 1750 noch ohne ein erkennbares Konzept zustandegekommen, gewann sie mit dem Erwerb venezianischer Veduten eine persönliche Prägung, die maßgeblich von Streits Idee der Stiftung an das Gymnasium zum Grauen Kloster bestimmt wurde. Er gab genaue Anweisungen, wie seine Stiftung zur Belehrung und Unterweisung junger Menschen eingesetzt und erweitert werden sollte.

Trotz Verlusten durch die Bombenangriffe Ende des Zweiten Weltkrieges, Auslagerungen und der anschließenden Rückführung der geretteten Bestände nach Berlin gelang es, eine der ältesten Stiftungen zu erhalten. Sie wurde nach der Wiedervereinigung Berlins wieder zusammengeführt.

Bei Canaletto wird der Betrachter immer wieder angeregt, genau hinzusehen und die Szenerie zu deuten. In einer Figur einer Vedute etwa glaubt man den Auftraggeber Streit selbst zu erkennen. Es gibt Serien von Zeremonial- und Festdarstellungen, Allegorien auf die Stärke und den Reichtum Venedigs, an deren Beginn zwei Darstellungen venezianischer Volksfeste stehen. Ihre Symmetrie und die stark flutenden Linien der Architektur sind hier ebenso hervorhebenswert wie ihre erzählerische Fülle. Die einheitlich geschlossene Wirkung erreichen sie vorwiegend durch Canalettos Wahl eines niedrigen Standpunktes in Augenhöhe des Betrachters. Ohne die Streitsche Sammlung, davon ist auszugehen, hätte Berlin weit weniger an Glanz und Reichtum der venezianischen Schule des Settecento zu bieten.

»Vom Canal Grande an die Spree. Die Streitsche Stiftung für das Graue Kloster«, bis zum 29. September, Gemäldegalerie, Berlin

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.