Haushalt 2025: Gefesselt die Wirtschaft entfesseln

Sparen und Unternehmen entlasten: Koalitionsspitzen einigen sich auf Eckpunkte für den Bundeshaushalt 2025 und ein Wachstumspaket

Den wackligen Minimalkonsens überspielten Lindner, Scholz und Habeck mit zur Schau gestellter Fitness nach durchwachter Nacht.
Den wackligen Minimalkonsens überspielten Lindner, Scholz und Habeck mit zur Schau gestellter Fitness nach durchwachter Nacht.

Wieder hat in wesentlichen Punkten die FDP gewonnen. Der wichtigste: Die Schuldenbremse, also die starke Begrenzung der Nettokreditaufnahme im Grundgesetz, bleibt unangetastet. So sieht es die Einigung von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf den Bundeshaushalt 2025 vor, erzielt in einer effektvoll durchgearbeiteten Nacht.

SPD und Grüne fordern seit langem Ausnahmeregelungen für die Schuldenbremse im Grundgesetz für Konjunkturprogramme, die weitere militärische Unterstützung der Ukraine bei der Abwehr der russischen Invasion, aber auch für Investitionen in Energiewende und Schienen-Infrastruktur zu nutzen.

Immerhin sind offenbar etwas weniger Kürzungen vorgesehen als von der FDP gefordert. Vor allem im sozialen Bereich solle es keine geben, beteuerten Sozialminister Hubertus Heil (SPD) und SPD-Fraktionvize Achim Post am Freitag.

Die Einigung sieht die Einhaltung der Schuldenbremse bis 2028 vor. Für 2025 plane man mit neuen Krediten in Höhe von 44 Milliarden Euro, so Lindner auf einer Pressekonferenz mit den beiden Kabinettskollegen am Freitagmittag. Die Gesamtausgaben sollen sich demnach auf 481 Milliarden Euro belaufen, davon seien 57 Milliarden Euro für Investitionen vorgesehen.

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Nachtragshaushalt geplant

Immerhin: Für dieses Jahr soll es einen Nachtragshaushalt in Höhe von elf Milliarden Euro geben. Zur Begründung verweist die Ampel auf geringere Steuereinnahmen und höhere Ausgaben beim Bürgergeld. Dazu kommen Milliarden-Mehrkosten bei der staatlichen Förderung der erneuerbaren Energien. Letztere sind Folgen des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichts vom November. Demnach war die von der Ampel vorgenommene Umwidmung von für die Bewältigung der wirtschaftlichen der Corona-Folgen vorgesehenen Mitteln für Klimaschutzprojekte rechtswidrig. In der Folge fehlten insgesamt 60 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds der Bundesregierung, die für die Jahre 2023 bis 2025 vorgesehen waren.

Die einzelnen Ressorts müssen, wie schon bisher geplant, »sparen«. Besonders massiv trifft es das Entwicklungsministerium und die Mittel für humanitäre Hilfe des Auswärtigen Amtes. Auf dem Papier wurden die vorgesehenen Kürzungen nun offenbar verringert, vor allem durch geänderte Schätzungen und Prognosen bei Zinszahlungen. So habe man nun die Höhe von EU-Beiträgen »realistischer« geschätzt, hieß es aus Regierungskreisen. Zudem könnten Verbuchungen einzelner Haushaltsposten verschoben werden. Außerdem ist von einer sogenannten globalen Minderausgabe die Rede. Das sind nicht auf die Ressorts verteilte Sparvorgaben.

Kleinerer Aufschlag fürs Militär

Die Einhaltung des sogenannten Zwei-Prozent-Ziels der Nato war und ist für die Ampel unverrückbare Pflicht. Das heißt, dass die Ausgaben für die Verteidigung mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen müssen. Im nächsten Jahr wird dies noch einmal mithilfe des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens erreicht, das die Regierung kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 eingerichtet hatte.

Der reguläre Militäretat wird 2025 erneut aufgestockt, allerdings in geringerem Umfang, als von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gefordert. Laut der Einigung der Koalitionsspitzen soll der Verteidigungshaushalt um 1,2 Milliarden auf gut 53 Milliarden Euro erhöht werden. Pistorius hatte 6,7 Milliarden mehr verlangt.

Entlastungspaket für die Wirtschaft

In Sachen Konjunkturförderung und Investitionen hat sich ebenfalls die FDP durchgesetzt. Die Ampel setzt daher ausschließlich auf weitere Entlastungen bei Steuern, Abgaben und Bürokratie für Unternehmen und nicht auf Förderprogramme. Damit will man die Wirtschaft wie auch den privaten Konsum »ankurbeln«. Dies könne im nächsten Jahr zu einem zusätzlichen Wachstum von mehr als einem halben Prozent führen und damit zu 26 Milliarden Euro zusätzlicher Wirtschaftsleistung.

Zu den Maßnahmen gehören beschleunigte Abschreibungen von Investitionen und eine verbesserte Forschungszulage. Weiter sollen in allen Ministerien verbindlich Praxischecks eingeführt werden. Für gewerblich genutzte E-Autos soll es Sonderabschreibungen geben. Die europäische Lieferkettenrichtlinie soll schnell in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei geht es vor allem darum, Berichtspflichten zu verringern, von denen das bereits in Kraft getretene deutsche Lieferkettengesetz mehr enthält.

»Anreize für Beschäftigung«

Unter dem Stichwort »Anreize für mehr Beschäftigung« haben Scholz, Lindner und Habeck Maßnahmen beschlossen, die zur Reduzierung des Fachkräftemangels und zur Entlastung der Sozialkasten beitragen sollen. Dazu gehört auch die von der FDP geforderte Steuerfreiheit für Überstunden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte dazu erklärt, das Hauptproblem seien nicht Steuern auf Überstunden, sondern zu viele unbezahlte Überstunden. Menschen im Ruhestand sollen zum Weiterarbeiten ermuntert werden, indem Arbeitgeberbeiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ihnen als Lohn ausgezahlt werden.

Im Bürgergeld soll eine »Anschubfinanzierung« eingeführt werden, wie es in einem Papier heißt. Wenn Langzeitarbeitslose mit einem Job aus dem Bürgergeldbezug herauskommen, sollen sie im ersten Jahr nun deutlich mehr von ihrem Verdienst behalten, ohne dass dies etwa auf das Wohngeld angerechnet wird.

Lindner kündigte derweil »Reformen beim Bürgergeld« an: Mitwirkungspflichten würden geschärft. Neue Meldeverpflichtungen für kurzfristig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehende Menschen würden eingeführt. Sie sollten sich einmal monatlich »bürokratiearm« bei der Bundesagentur für Arbeit melden müssen. Regeln dafür, welche angebotene Arbeit als zumutbar gelte, würden »weiterentwickelt«. Außerdem, so der FDP-Chef, werde die Zeit halbiert, in der erhöhte Freibeträge auf Vermögen im Erstbezug des Bürgergeldes gelten.

Auch durch eine Erleichterung der Arbeitsaufnahme für Ausländer will man den Arbeits- und Fachkräftemangel bekämpfen. So sollen die Ausländerämter nur 14 Tage Zeit haben, einem Antrag auf Arbeitsaufnahme zu widersprechen. Tun sie das in dieser Frist nicht, soll der Antrag als genehmigt gelten.

Verabschiedung für November geplant

Wie genau der Bundeshaushalt 2025 genau aussehen wird, ist indes noch nicht abzusehen. Das Kabinett wird den Entwurf dafür voraussichtlich am 17. Juli beschließen. Bis dahin sollen auch die Details zu den einzelnen Ressorts vorliegen. Nach der parlamentarischen Sommerpause beginnen dann die Haushaltsberatungen im Bundestag, die Verabschiedung des Etats ist für November oder Dezember geplant.

Vertreter von SPD und Grünen kündigten bereits Änderungs- und Nachbesserungsbedarf an. So kritisierte Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge, gerade im Bereich der inneren und äußeren Sicherheit wie auch der humanitären Hilfe werde der Haushalt nicht der Lage im Land gerecht.

Scharfe Kritik kam von der Opposition. Die haushaltspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Gesine Lötzsch, prognostizierte, die »Mini-Einigung von Scholz, Habeck und Lindner« werde »den Sommer nicht überstehen«. Sie forderte erneut das Aussetzen der Schuldenbremse und ihre mittelfristige Abschaffung. Weiter wandte sich Lötzsch gegen die geplanten Mehrausgaben für »Aufrüstung und Krieg«. Dieses Geld fehle »beim Erhalt der Infrastruktur, beim Bau von Kitas, Schulen und Wohnungen«.

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