- Politik
- Wahl in Frankreich
Einheit der Linken ist kein Selbstläufer
Für L’Humanité-Direktor Patrick Le Hyaric hängt die Zukunft der Neuen Volksfront von ihrer Verbindung mit sozialen Bewegungen und Gewerkschaften ab
Was empfinden Sie angesichts der viele überraschenden Wahlergebnisse vom Sonntag?
Zunächst einmal spüre ich eine große Erleichterung, denn immerhin hatte der rechtsextreme Rassemblement National erst bei den Europawahlen und dann im ersten Wahlgang der Parlamentswahlen mehr als 30 Prozent der Wählerstimmen erreicht. Es bestand also die Gefahr, dass diese Gruppierung in der Nationalversammlung die absolute Mehrheit bekommt und die Regierung stellen kann. Das ist erst einmal abgewendet, denn die Republikanische Front gegen die Rechtsextremen hat wieder einmal funktioniert.
Wie wird es jetzt in Frankreich angesichts der neuen Kräfteverhältnisse innenpolitisch weitergehen?
Jetzt haben wir drei große Blöcke: erstens den um den Präsidenten, zweitens den des rechtsextremen Rassemblement National, das zugelegt hat, und schließlich den Block der Neuen Volksfront. Diese war am erfolgreichsten und kann deshalb für sich beanspruchen, die Regierung zu bilden und eine neue Politik zu verwirklichen, auch wenn das unter den aktuellen Bedingungen nicht leicht ist.
Patrick Le Hyaric ist Direktor der kommunistischen Zeitung L’Humanité. Mit ihm sprach in Paris für »nd« Ralf Klingsieck.
Welche Aussichten hat die Volksfront, tatsächlich die kommende Regierung zu stellen?
Das ist schwer zu sagen, denn die Wege der Institutionen in Frankreich sind in dieser Frage kompliziert und die Gesetze sind nicht klar. Das Recht, den Premierminister zu ernennen und ihn mit der Bildung der Regierung zu beauftragen, kommt dem Präsidenten zu. In der Regel ernennt er die Person, die ihm die Partei vorschlägt, die bei der Wahl am erfolgreichsten war. Doch das ist nur die übliche Praxis, darauf hat man keinen Rechtsanspruch. Der Präsident kann sich also über den Vorschlag hinwegsetzen und jemand anderes ernennen. Doch das wäre ein Affront gegen die Wähler, die durch die Republikanische Front den Sieg vieler RN-Kandidaten verhindert und so letztlich auch nicht wenigen von Macrons Kandidaten zu ihrem Parlamentssitz verholfen haben.
Wen könnte die Volksfront als Premierminister vorschlagen?
Darüber müsste man sich zunächst innerhalb der beteiligten Parteien verständigen und dann zwischen ihnen. Aber ich denke, man sollte noch breiter herangehen und auch die uns nahestehenden Organisationen und Vereinigungen sowie die Gewerkschaften einbeziehen, um so einen möglichst breiten Konsens zu finden, der für den künftigen Regierungschef sehr hilfreich wäre. So muss man auch herangehen bei der Suche nach Partnern für eine eventuelle Koalition mit der Volksfront als Kern.
Die Neue Volksfront ist ein Bündnis, das kurzfristig für diese Parlamentswahl gebildet wurde. Wird es halten angesichts der Belastungen, die sich aus der komplizierten innenpolitischen Situation ergeben?
Die Neue Volksfront ist tatsächlich in kürzester Zeit entstanden, aber sie entspricht dem Willen breitester Kreise links oder ökologisch eingestellter Bürger und Wähler. Für die ist die Einheit der Linken ein ganz wichtiges Anliegen. Um stabil und widerstandsfähig zu sein, muss die Volksfront in ständigem Kontakt und unter laufender Beobachtung und Kontrolle der Volksmassen stehen. Davon hängt die Zukunftsaussicht dieses Bündnisses ab, aber auch die seines Programms. Das ist einem ständigen Angriff der Finanzmärkte, des internationalen Kapitals und der EU-Institutionen ausgesetzt, für die das Programm der Volksfront eine Gefahr darstellt.
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