Öffentliche Toiletten in Berlin: »Mit Klobürste und Knüppel«

WC-Betreiber Wall wird am Görlitzer Park aus der Verantwortung genommen – so die Kritik der Hauptstadt-Linken

Blitzeblanke Kieztoilette: In der deutschen Hauptstadt eher Ausnahme als Regel
Blitzeblanke Kieztoilette: In der deutschen Hauptstadt eher Ausnahme als Regel

Ein Sommertag mit kühlen Getränken im Görlitzer Park – und plötzlich drückt die Blase. Dank der »Berliner Toiletten« dürfte das, rein theoretisch, kein Problem mehr sein. Über 400 öffentliche WCs sollen in der Hauptstadt für Erleichterung sorgen, überwiegend zur Verfügung gestellt durch den Stadtmöblierer und Außenwerber Wall mit Sitz in Berlin.

In der Praxis kommt dem Toilettengang dann aber doch das eine oder andere in den Weg. WC-Kabinen werden verwüstet und daraufhin abgesperrt, Hinterlassenschaften jeglicher Art schrecken Nutzer*innen ab. Immer wieder suchen obdachlose Menschen Unterschlupf in den Kabinen, Suchtkranke nutzen sie als Konsumräume. So auch rund um den Görlitzer Park und am Kottbusser Tor.

Auf dem Berliner Sicherheitsgipfel im vergangenen September haben Bezirk und Senatsumweltverwaltung mit einem Pilotprojekt reagiert: Nun kontrollieren mobile Teams täglich rund ein Dutzend öffentliche Toiletten im Görlitzer Park und in den umliegenden Kiezen. Vier Personen im Zwei-Schicht-System sollen Verunreinigungen beseitigen und Fehlnutzer*innen auffordern, die Toilette zu verlassen. Insgesamt 1,6 Millionen Euro werden für das Projekt bereitgestellt, das vorerst bis 2026 läuft und von einem privaten Dienstleister durchgeführt wird.

»Der Konsum von Drogen in der Öffentlichkeit oder das Auffinden von Rückständen löst bei vielen Menschen Unsicherheiten und Ängste aus«, teilt das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg auf eine aktuelle Anfrage der Berliner Linke-Abgeordneten Katalin Gennburg hin mit. Herumliegende Spritzen und Kanülen stellten ein Infektionsrisiko für Toilettenbesucher*innen dar.

Eigentlich wäre der WC-Betreiber, die Wall GmbH, für die Instandhaltung der Toiletten zuständig. Ihn nimmt der Senat allerdings aus der Verantwortung: »Die Situation gestaltet sich vielschichtig und kann nicht alleine durch die Betreuung der Toiletten durch die Firma Wall gelöst werden.« Die im Pilotprojekt vorgesehenen Leistungen der aufsuchenden Sozialarbeit seien nicht der Arbeit des Betreibers, sondern sozialen Entwicklungen geschuldet, die mit Obdachlosigkeit, Drogenabhängigkeit und Vandalismus einhergingen.

»Der Ausverkauf der Stadt hat auch vor der Toiletteninfrastruktur nicht Halt gemacht.«

Katalin Gennburg Stadtentwicklungsexpertin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus

»Kein Mitleid mit Wall«, fordert hingegen Abgeordnete Gennburg. Die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion wirft dem Senat vor, mit unlauteren Motiven Steuergelder zu verschwenden. »Wall wird dafür bezahlt, die Toiletten instand zu halten«, sagt sie »nd«. Es sei bekannt, dass sich die regierende CDU andauernd für das Berliner Unternehmen einsetze.

In den Erläuterungen des Senats zum Pilotprojekt sieht Gennburg einen weiteren Beleg für schwarz-rote Law-and-Order-Politik. »Toilettenreinigung mit Klobürste und Knüppel« nennt die Linke-Politikerin das Vorgehen in den betroffenen Kiezen. »Ich habe ja gar nicht gefragt, welche Probleme die Verwaltung mit dem Görlitzer Park hat. Trotzdem ging es nur darum.«

Mit seiner Rhetorik versuche der CDU-geführte Umweltsenat, in erster Linie Argumente für Bezahltoiletten von privaten Betreibern zu sammeln. Statt Wall dazu zu bewegen, seiner Pflicht nachzukommen, erzähle man in der Verwaltung lieber davon, wie schlimm sich die Menschen am Görlitzer Park aufführten. Konstruktive Ansätze zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit blieben außen vor.

»Solche Debatten führen uns nicht weiter«, sagt Gennburg. Was Berlin brauche, sei eine kostenlose Gesamtversorgung für alle Geschlechter – und zwar in öffentlicher Hand. »Der Ausverkauf der Stadt hat auch vor der Toiletteninfrastruktur nicht Halt gemacht.« Gute Toiletten bräuchten enge Betreuung durch Personal, das sich durchgehend vor Ort befinde. Schwarz-Rot aber sei nicht bereit, das nötige Geld aufzubringen.

Erfolgreiche Beispiele für öffentliche Toiletten »ohne Schutzgebühr« fänden sich nicht nur in Peking und Paris (mit freiem W-Lan und Wasserstation), sondern sogar in deutschen Städten. Doch das unter dem rot-grün-roten Vorgängersenat gestartete Pilotprojekt für kostenlose Toiletten und Frauenurinale lasse die Große Koalition lieber auslaufen.

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