Bezahlkarte für Flüchtlinge: Aktivisten schaffen Abhilfe

Letzte Woche startete in München eine Aktion, um die Bargeldgrenze für Geflüchtete in Bayern auszuhebeln

  • Rudolf Stumberger
  • Lesedauer: 4 Min.
Marina Dietweger (Die Linke) zeigt vor dem Parteibüro, wie die Kartentauschaktion funktioniert.
Marina Dietweger (Die Linke) zeigt vor dem Parteibüro, wie die Kartentauschaktion funktioniert.

Montags wird das Münchener Büro der Linkspartei in der Schwanthalerstraße zur Wechselstube. Es ist 14 Uhr und drinnen sitzt Marina Dietweger, Kreissprecherin der Linken in der Stadt. »Mit unserer Aktion wollen wir den Zwang der Staatsregierung unterlaufen, der auf die Flüchtlinge mit der Bezahlkarte ausgeübt wird«, sagt sie. Denn seit Juni bekommen Schutzsuchende in Bayern ihr Geld auf einer Bezahlkarte. Davon können sie nur 50 Euro Bargeld im Monat abheben.

Die Wechselstuben sollen dem entgegenwirken, und zwar so: Geflüchtete Menschen kaufen sich mit der Bezahlkarte in Läden wie Rewe, Lidl, Aldi oder DM Einkaufsgutscheine im Wert von 50 Euro. Diese Einkaufsgutscheine können sie dann gegen Bargeld umtauschen. Neben dem Linke-Büro gibt es zwei weitere solcher Tauschorte: das Kulturzentrum »Bellevue di Monaco« (am Mittwoch) und das Wohnprojekt »Ligsalz8« (am Donnerstag).

»Wir wollen den Zwang der Staatsregierung unterlaufen, der mit der Bezahlkarte ausgeübt wird.«

Marina Dietweger
Kreissprecherin Münchner Linke

Und woher kommt das Geld? »Ich habe eine Liste von Nachbarn«, erklärt Marina Dietweger, »die sich die Gutscheine kaufen und dann damit ihre Einkäufe bezahlen«. Just in diesem Moment betritt eine junge Frau das Linke-Büro und will einen Gutschein kaufen. Doch Asylsuchende haben sich bisher noch nicht gemeldet. »Die Aktion hat erst vorige Woche begonnen«, so Dietweger, sie müsse sich noch herumsprechen.

»Offen! Für eine solidarische Gesellschaft!« ist nach eigenen Worten »eine breite Kampagne« mit Beteiligten aus sozialen Verbänden, Einrichtungen, Beratungsstellen, Gewerkschaften, politischen Gruppen und Wohnprojekten. Von der »Arbeitsgemeinschaft der Ausländer-, Migranten- und Integrationsbeiräte Bayerns« über die »Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Bayern« bis zur »VVN-BdA Kreisvereinigung München«.

Die Tauschaktion wird auf einem bunten Flugblatt in sieben Sprachen erläutert: »50 Euro Bargeld im Monat sind zu wenig und du findest, mit dieser Einschränkung planen zu müssen ist diskriminierend?« wird in dem Flyer gefragt. Und weiter: »Du bist gegen rechtspopulistische Symbolpolitik und willst ihr mit deiner praktischen Solidarität etwas entgegensetzen?« Das sei ganz einfach: »Du kommst in unsere Wechselstube und tauschst dein Bargeld gegen einen Gutschein. Den Gutschein hat eine Person mit ihrer Bezahlkarte gekauft und dafür von uns Bargeld bekommen.«

Hintergrund ist die Verfügung der bayerischen Staatsregierung, im Freistaat nur noch Bezahlkarten an Flüchtlinge auszugeben. Das löse nicht alle Probleme, aber sei »Bestandteil einer großen Problemlösung«, so Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Immerhin werde damit das wichtige Signal gesetzt, Sachleistung seien der bessere Weg als Geldleistungen. Im April verabschiedete zwar auch der Bundestag ein Gesetz zur Einführung einer bundeseinheitlichen Bezahlkarte, doch ein bundesweites Verfahren dauerte der Regierung in München zu lange. Der Freistaat wolle schneller sein und »auch letztlich konsequenter«.

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In Bayern sollen rund 70 000 Asylbewerber ab 14 Jahren eine solche Karte bekommen. Die Höhe der Summe, die zur Verfügung gestellt wird, hängt laut Innenministerium von Alter, Familienstand und Art der Unterbringung ab. Das Bargeld aber ist auf monatlich 50 Euro pro Person beschränkt. »Uns ist wichtig, dass wir das verfügbare Bargeld, das es noch gibt, geringer ansetzen als in anderen Bundesländern«, sagte dazu der bayerische Ministerpräsident.

Die Einsatzmöglichkeit der Bezahlkarte kann übrigens auch auf einen Landkreis oder eine kreisfreie Stadt beschränkt werden; geplant ist, dass Neuankömmlinge, die ihren Landkreis wegen der Residenzpflicht nicht verlassen dürfen, mit der Karte auch nur dort bezahlen dürfen. Die Staatsregierung hat mit der Einführung der Bezahlkarte das Ziel, die »Anreize« zu minimieren, in Deutschland Asyl zu beantragen. Zugleich soll damit laut Ministerpräsident Söder der »Geldhahn für Schleuser und Schlepper« zugedreht und Geldüberweisungen ins Ausland erschwert werden.

Geflüchteten-Organisationen kritisierten die Einführung der Bezahlkarte als rechtspopulistisch, der Flüchtlingsrat Bayern sprach von einem »symbolpolitischen Schnellschuss«: Ob in Bayern die Leistungen in Form einer Bezahlkarte erfolgen, habe Studien zufolge keinen Einfluss auf die Entscheidung das Zuhause zu verlassen. Auch das Argument, man wolle mit der Bezahlkarte die Überweisung an Schlepper im Ausland verhindern, gehe »komplett an der Realität von Geflüchteten in Bayern vorbei«. Ein flächendeckendes Netz von Tauschorten könnte die fehlgeleitete Politik aushebeln. »Wir haben schon eine Anfrage aus Ingolstadt«, kann Marina Dietweger vermelden.

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