Brandenburg braucht seine Rücklagen auf

Landtag behandelt in einer Sondersitzung jetzt den kurzfristig aufgestellten Nachtragshaushalt

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
Linksfraktionschef Sebastian Walter redet bei einer Landtagssitzung. Hinter ihm sitzt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
Linksfraktionschef Sebastian Walter redet bei einer Landtagssitzung. Hinter ihm sitzt Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Das nahezu restlose Aufbrauchen der finanziellen Rücklagen, wie sie im Nachtragshaushalt der Brandenburger Regierung vorgesehen seien, wird von den Linken kritisch gesehen. Eine künftige Regierung nach der Landtagswahl im September werde angesichts dessen »über keinerlei Spielraum mehr verfügen«, sagte Linksfraktionschef Sebastian Walter am Dienstag. Der Landespolitik werde nichts anderes mehr übrig bleiben, als sich »von Notlage zu Notlage« zu hangeln, fügte er hinzu.

»Die Regierung hat offenbar kein Interesse daran, mit uns ausführlich ins Gespräch zu kommen«, klagte Walter angesichts der Geschwindigkeit, mit der der Nachtragshaushalt durch das Parlament gebracht werden solle. An diesem Mittwoch findet die erste Lesung statt.

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Weil das Landesverfassungsgericht den Landeshaushalt für nichtig erklärt hatte, ist laut Walter eine Neuverschuldung so wie vorgesehen nicht mehr möglich. Statt Kredite aufzunehmen, bedienten sich SPD, CDU und Grüne nun kurzerhand und »auf Teufel komm raus« an den Rücklagen, um Vorhaben zu bezahlen, die sich aus den Steuereinnahmen nicht finanzieren lassen.

Das gefährde die für die Zukunft versprochene komplette Abschaffung der Elternbeiträge für die Kindertagesstätten. Die Umsetzung des Plans, zunächst Haushalte mit einem Jahreseinkommen unter 35 000 Euro von den Beiträgen für Kita und Schulhort vollständig zu befreien, sei für das kommende Jahr nicht mehr sicher. Aber »wir dürfen die Eltern nicht im Stich lassen«, meinte Walter. Der Sozialstaat werde Schaden nehmen, warnte er.

Auch die Tafeln, die Bedürftige für einen geringen Obolus mit Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs versorgen, könnten auf eine verlässliche Finanzierung nicht vertrauen. Der Oppositionspolitiker regte an, nach thüringischem Vorbild Rentnern mit geringem Einkommen 500 Euro Weihnachtsgeld zu zahlen.

Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene müsste die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse abgeschafft werden, forderte Walter einmal mehr. Diese Schuldenbremse erlaubt dem Bund und den Ländern eine Neuverschuldung nur noch ausnahmsweise mit guter Begründung in Krisenzeiten. Weil dem Verfassungsgericht die von der Brandenburger Koalition gelieferte Begründung einer Notlage nicht ausreichte, hatte es am 21. Juni das Brandenburg-Hilfspaket für nichtig erklärt. Es hatte kreditfinanzierte Ausgaben in Höhe von ursprünglich zwei Milliarden Euro vorgesehen, in einer später abgespeckten Variante in Höhe von 1,6 Milliarden Euro.

Schulen, die jetzt nicht gebaut, Kitas, die jetzt nicht saniert werden, kämen die Steuerzahler am Ende doppelt und dreifach teurer, sagte Walter. Die Investitionen seien umso dringender, als die Steuerprognosen alles andere als günstig ausfallen. Geld gespart werden könne durch den Verzicht auf den Ausbau von Abschiebekapazitäten am Flughafen BER in Schönefeld.

Der Bevölkerungs- und Katastrophenschutz sei zu wichtig, als dass man in diesem Bereich Investitionen verschieben könne, erklärte am Dienstag CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Wenn hier auf Kredite nicht zurückgegriffen werden könne, dann müssten es eben die Rücklagen sein. Er bekannte sich zum Aufbau eines Anti-Drohnen-Systems am Flughafen BER. Wenn die Linksfraktion sich dem verweigere, dann zeige dies nur, dass sie vom Ernst der Lage keine Ahnung habe. Redmann sprach von Drohnen vorwiegend russischer Herkunft, die im Fall der Fälle abgewehrt werden müssten. Ihm zufolge sind auch in Brandenburg in Zeiten einer »hybriden Kriegsführung« die Infrastruktur, Datennetze und die Energieversorgung bedroht.

»Sparst du in der Zeit, dann hast du in der Not«, sagte Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke. Brandenburg habe in guten Zeiten Rücklagen angehäuft und nutze sie nunmehr. »Alles, was angemeldet wurde, wird auch finanziert«, versprach Raschke. Dennoch werde das ursprüngliche Volumen des Brandenburg-Pakets von zwei Milliarden »bei weitem nicht erreicht«. Die Erfahrung vermittle die Annahme, dass am Jahresende das Geld oft nicht restlos ausgegeben sein werde. »Wenn es wirklich keine Rücklagen mehr geben sollte, dann würde es mich wundern.«

Unter der alten rot-roten Koalition hatte das Land Brandenburg bis 2019 acht Jahre in Folge Haushaltsüberschüsse und hatte Rücklagen aufgebaut. So hatte der damalige Finanzminister Christian Görke (Linke) zuletzt rund zwei Milliarden Euro in der Reserve. Gleichzeitig hatte das Bundesland Schulden abgebaut und stand noch mit rund 18 Milliarden Euro in der Kreide.

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