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Thomas Arslan im Interview: In einer kalten Stadt

Mit »Verbrannte Erde« präsentiert Thomas Arslan 14 Jahre nach dem Erscheinen von »Im Schatten«den zweiten Teil einer Verbrechertrilogie. Ein Gespräch

  • Interview: Susanne Gietl
  • Lesedauer: 5 Min.
Trojan (Mišel Matičević) zieht von Apartment zu Apartment, von Stadt zu Stadt und dreht hier und da ein Ding.
Trojan (Mišel Matičević) zieht von Apartment zu Apartment, von Stadt zu Stadt und dreht hier und da ein Ding.

2010 kam »Im Schatten« ins Kino, nun holen Sie die Hauptfigur Trojan (Mišel Matičević) zurück. Wie sind die beiden Teile miteinander verbunden?

Die Trilogie war ursprünglich nicht als solche geplant. Ich hatte einfach Lust, wieder in Berlin zu drehen und mich dort genauer umzugucken. Das war dann auch ein Thema für die Figur von Trojan, der nach einem langen Zeitraum in eine völlig veränderte Stadt zurückkehrt. Von der Figur her ist es mir nicht so schwergefallen, mich wieder in die Situation reinzudenken. Trojan hat sich wenig verändert, er ist einfach älter geworden; er ist durch seine Lebensweise ausgebrannter als vor ein paar Jahren. Er hat keinen festen Wohnsitz, verweilt nirgendwo länger und zieht im Grunde von Apartment zu Apartment, von Hotel zu Hotel, von Stadt zu Stadt und dreht hier und da ein Ding. Er sucht sich anonyme Orte, die er sich gerade noch leisten kann, und von dort schaut er nach einem neuen Job. Für mich war wichtig, dass der neue Teil für sich funktioniert und daher keine Figuren vom letzten Mal noch einmal auftauchen. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass das die Welt zu klein macht, und so habe ich mich dagegen entschieden.

Was ist in den letzten Jahren mit Berlin passiert – und wie hat Sie das inspiriert?

Früher konnte man in Berlin mit geringeren Mitteln leben. Dadurch, dass die Preise hier so extrem angezogen haben, bedeutet das eine extreme Verdrängung für ganze Bevölkerungsschichten, und das macht atmosphärisch was mit der Stadt. Sie wirkt einförmiger. Das spielt jetzt keine explizite Rolle in »Verbrannte Erde«, aber wir haben versucht, diese latent unwirtliche und abweisende Atmosphäre in einer verlassenen Stadt herzustellen. Formal haben wir das durch viele Nachtszenen in einer kalten Stadt zugespitzt, auch als Reminiszenz an den Film Noir.

Interview


Thomas Arslan wurde 1962 in Braun­schweig geboren. Er wuchs in Essen und im tür­ki­schen Ankara auf. Zunächst begann er in München Germanistik zu studieren, dann wechselte er zum Film und studierte sechs Jahre Regie an der Deutschen Film- und Fernseh­akade­mie in Berlin. Seitdem arbeitet er als Drehbuch­autor und Filme­macher. Mit seinem Western »Gold« war Arslan 2013 erst­mals im Wett­bewerb der Berlinale vertreten.
Seit 2007 ist er Professor für narrativen Film an der Uni­ver­si­tät der Künste Berlin.

Im Film wird ein Bild aus einem Museum in Berlin-Dahlem gestohlen. Wie haben Sie sich auf diesen Raub vorbereitet?

Wir mussten umdisponieren, was das Museum angeht. Ursprünglich sollte der Film im Essener Folkwang-Museum spielen, wo »Frau vor der untergehenden Sonne« von Caspar David Friedrich tatsächlich herkommt, aber es stellte sich relativ früh heraus, dass wir keine Drehgenehmigung bekommen werden. Ich musste deswegen das Drehbuch neu strukturieren. Wir haben uns dann für das ehemalige Ethnologische Museum in Berlin entschieden und hatten wirklich Glück, dass wir uns im Museum recht frei bewegen konnten. Es wirkte gespenstisch, weil alle Exponate in Kisten verpackt waren, um Schritt für Schritt ins Humboldt-Forum zu wandern. Vor Ort haben wir gelernt, wie man die Bilder verpackt, um sie zu transportieren, und wie man eine Kiste mit dem Akkuschrauber aufkriegt. Die Handgriffe hat Mišel Matičević dann selbst eingeübt.

Wie haben Sie die weiteren Drehorte ausgewählt?

Ich suche Orte, während ich schreibe, damit ich mich beim Schreiben daran anlehnen kann. Wie beim ersten Teil habe ich mit dem Kameramann Reinhold Vorschneider und der Szenenbildnerin Reinhild Blaschke zusammengearbeitet. Das Bild erweitert sich dann, wenn wir gemeinsam losziehen. Wir diskutieren, was beim Drehen möglich ist, und suchen dann gemeinsam die Orte aus. Die Orte sind Transitorte wie Parkplätze, Parkdecks und Nebenstraßen, wo klandestine Geschäfte stattfinden, ohne dass man beobachtet wird. Ich habe mich an der realen Topografie der Stadt orientiert.

Einerseits erzählen Sie von verlassenen Orten, andererseits kommt auch eine Actionszene vor. Wie schwierig war es, in Berlin zu drehen? In der Stadt wimmelt es ja nur so von Filmteams …

Drehen wird in Berlin immer schwieriger, weil es extrem bürokratisch geworden ist. Es gibt einen Katalog von Auflagen, die zu erfüllen sind. Das liegt unter anderem daran, dass viel in Berlin gedreht wird. Bei den zahlreichen Autofahrten durch die Stadt hatten wir gar nicht die Mittel, die Straßen abzusperren, und haben viele Autoszenen im laufenden Verkehr gedreht. Es hat lange gedauert, bis wir ein kontrolliertes Szenario aufgenommen hatten. Für das Ende, wo ein Unfall in der Nähe der Warschauer Brücke passiert, haben wir uns eine Drehgenehmigung geholt und auch die entsprechenden Nebenstraßen abgesperrt.

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Warum kommen vor allem alte Autos zum Einsatz?

Bei den Hauptfiguren hat es natürlich primär professionelle Gründe, dass sie ältere Modelle fahren. Die neuen Autos haben sehr viel Elektronik an Bord, die auch Bewegungsdaten sammelt. Da ist es, wenn man unverfolgt bleiben möchte, professioneller, Autos zu nutzen, die nicht diese Form von Elektronik in sich bergen.

Über die Autos erzählen Sie eine ganz eigene Geschichte – die von der Fluchtfahrerin Diana (Marie Leuenberger) und Trojan.

Die beiden begegnen sich erst mal vorsichtig und skeptisch, dann finden sie auf einer professionellen Ebene zusammen. Sie sind beide Einzelgänger. Das Auto funktioniert wie eine Zelle, in der sie sich von ihrer Umwelt abkapseln und schützen. Das spielt vor allem bei der Hauptfigur eine Rolle. Ich fand es interessant, dass sie Figuren sind, die zwar nicht die exakt gleiche Lebensweise haben, aber durch ihre Professionalität auf Augenhöhe sind. Eigentlich wäre eine Verbindung möglich, die trotzdem nicht eintritt.

Neben Trojan spielt Victor (Alexander Fehling) eine entscheidende Rolle. Wie haben Sie die Figur des Victor angelegt?

Im Vorfeld haben wir lange darüber gesprochen, dass diese Figur etwas latent Bedrohliches hat, aber trotzdem nicht die ganze Zeit überdeutlich als irrer Psychopath durch die Gegend rennt. Wir wissen von vornherein, in welchem Kontext eine Szene im Film steht, und arbeiten damit. Vor Ort probieren wir aus, wie schnell oder wie langsam man einen Satz spricht oder wie sich die Person bewegt. Beim Drehen ist das von beiden Seiten eher pragmatisch. Da geht es dann nur noch um Feinheiten.

»Verbrannte Erde«, Deutschland 2024. Regie und Buch: Thomas Arslan. Mit: Mišel Matičević, Marie Leuenberger, Alexander Fehling, Tim Seyfi, Marie-Lou Sellem, Katrin Röver, Bilge Bingül. 100 Min. Start: 18. Juli.
Das Kino »Arsenal« in Berlin zeigt bis Anfang August eine Werkschau der Filme von Thomas Arslan. Parallel dazu gibt es eine Ausstellung im Neuen Berliner Kunstverein zu Arslans Werk.

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