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- Kommentar zur Abschiebungen nach Marokko
Von Bundes- und Landespolitik ermutigt
Jana Frielinghaus über widerrechtliche Abschiebungen
Der Fall Mehdi N. dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein. Behörden schieben derzeit vermehrt Menschen ab – nachlesbar in aktuellen Statistiken. Sie tun das offenbar auch, wenn sie dabei geltenden rechtlichen Regelungen zuwiderhandeln und handfeste humanitäre und andere Gründe dagegen sprechen. Gerade in Sachsen, wo Ministerpräsident Michael Kretschmer martialische Töne anschlägt, aber auch bundesweit. Die Abschiebung des 34-jährigen Marokkaners trotz eines gerichtlichen Eilbeschlusses wurde nur bekannt, weil eine engagierte Anwältin den Flüchtlingsrat informiert hat. Und weil sie einfach entsetzt ist darüber, wie Behördenvertreter einerseits Verantwortungs-Pingpong spielten und ihr andererseits offen sagten, sie fühlten sich an die Vorgaben des Gerichts nicht gebunden.
Wer bislang noch an den Rechtsstaat glaubte – auf den sich Geflüchtete ohnehin seit Jahrzehnten nicht verlassen können – dürfte nun hart auf dem Boden der Tatsachen gelandet sein. Bleibt abzuwarten, ob die sächsischen Behörden die Anordnung des Chemnitzer Verwaltungsgerichts, den mit einer Deutschen verheirateten jungen Vater umgehend auf eigene Kosten zurückzuholen, Folge leisten. Und ob deren oberster Dienstherr, CDU-Innenminister Armin Schuster, tun sie das nicht, seiner Pflicht nachkommt und dies anordnet.
Dass es Konsequenzen für die zuständigen Beamten geben müsste, liegt auf der Hand. Es ist jedoch zu bezweifeln, dass es dazu kommt. Dann letztlich ermuntert die verschärfte Migrations- und Fluchtpolitik der Berliner Ampel-Koalition Ausländerbehörden geradezu zu derart eigenmächtigem Handeln.
Schließlich war es der SPD-Kanzler selbst, der angekündigt und gefordert hat, »in großem Stil« abzuschieben. Was den Beamten in Chemnitz und anderswo einfällt, wird wohl diese »neue Fokussiertheit und Entschiedenheit« in der Asylpolitik sein, von der Olaf Scholz am Donnerstag beim Treffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft bei Oxford sprach. Seine Regierung habe »mit dem Schlendrian der letzten Jahrzehnte aufgeräumt«, sagte er auch noch.
Dabei wird nicht nur inhuman, sondern auch widersinnig gehandelt: Gut ausgebildete Menschen wie der vergangene Woche vorerst knapp der Abschiebung entronnene Robert A. dürfen nicht ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen, obwohl sie hier ihr ganzes Leben verbracht haben. Pflegekräfte werden direkt aus der Nachtschicht abgeholt. Hier aufgewachsene junge Erwachsene bekommen keine Chance auf ein Bleiberecht und werden nur geduldet, ohne Arbeitsrecht, obwohl in ihre Schulbildung investiert wurde. Die Hürden, daran etwas zu ändern, sind oft über Jahre unüberwindbar. Und während man hier lebenden Menschen keine Chance gibt, wirbt der Bundessozialminister in Afrika, Asien und Lateinamerika um Fachkräfte – mit äußerst mäßigem Erfolg und zu Lasten der dortigen Gesellschaft.
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