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Asylanträge von Palästinensern interessieren Bundesamt nicht

Linke, Menschenrechtler und Mediziner üben scharfe Kritik an Untätigkeit der Bundesregierung

Auch in der Westbank machen Siedler und Militär aus Israel das Leben unerträglich.
Auch in der Westbank machen Siedler und Militär aus Israel das Leben unerträglich.

Deutsche Asylbehörden entscheiden von den meisten Flüchtlingen aus Palästina derzeit keine Asylanträge und machen dazu von einem Paragrafen im Asylgesetz Gebrauch. Demnach können Asylentscheidungen aus Gebieten mit einer »vorübergehend ungewissen Lage« aufgeschoben werden. Von einer solchen »anhaltenden militärischen Lage« spricht nun das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für die gesamte Region Gazastreifen.

Die Auskunft stammt aus einer Schriftlichen Frage der Bundestagsabgeordneten Clara Bünger, die das Bundesinnenministerium (BMI) beantwortet hat. Die Linke-Politikerin wollte auch wissen, wie viele Palästinenser einen Asylantrag eingereicht haben. Diese Zahl nimmt demnach langsam, aber stetig zu. Im Januar verzeichnete das BAMF 1019 Antragsteller, im Juni waren es insgesamt 1244.

Von der Nichtbearbeitung ausgenommen sind nach Angaben des Ministeriums Anträge zur Gewährung von Familienasyl und internationalem Schutz für Familienangehörige. Bearbeitet würden auch sogenannte Unzulässigkeitsentscheidungen, bei denen die Behörde andere EU-Mitgliedstaaten als zuständig für den Asylantrag feststellt.

»In Gaza herrschen seit neun Monaten Krieg und Vertreibung«, kritisiert Bünger die Praxis des BAMF. Die Aufschiebung der Asylentscheidungen sei deshalb »ein Hohn« und »grenzt an Arbeitsverweigerung«, so die Abgeordnete. »Die Lebensbedingungen vor Ort werden von Tag zu Tag nur schlechter und es gibt keine Perspektive, in den nächsten Jahren in Gaza leben zu können.«

»Es gibt keine Perspektive, in den nächsten Jahren in Gaza leben zu können.«

Clara Bünger Bundestagsabgeordnete

»Mindestens 70 Prozent des Wohnraums in Gaza und 80 Prozent seiner Schulen sind beschädigt oder zerstört«, weiß Riad Othman, Nahostreferent bei medico international. Die Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation unterstützt selbst Projekte von Partnern im Gazastreifen.

»Die Lage ist eindeutig katastrophal und das wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern«, meint auch Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, auf Anfrage des »nd«. Die anhaltende Nichtbearbeitung der Asylanträge von Menschen aus Gaza sei deshalb »nicht zu rechtfertigen«. Betroffene würden gezwungen, nach sechs Monaten im Asylverfahren wegen Untätigkeit zu klagen, erklärt Judith.

Wie viele der in Deutschland asylsuchenden Palästinenser tatsächlich in Gaza gelebt haben, kann das BAMF nach Angaben des BMI in seiner Statistik aber nicht unterscheiden. Weil die Grenzen des Streifens von Israel streng kontrolliert werden und auch Ägypten kaum Flüchtlinge einreisen lässt, dürften die meisten aus dem Westjordanland kommen. Eine der Fluchtrouten führt von dort über den Libanon und Zypern in die EU.

Auch im Westjordanland ist jedoch die Zahl der von der israelischen Armee getöteten Einwohner in die Höhe geschnellt, sagt Othman von medico international. Weil Israel nach dem 7. Oktober sämtliche Arbeitserlaubnisse für Menschen im Westjordanland annulliert habe, sei die Arbeitslosenquote in Städten wie Tulkarem auf über 70 Prozent angewachsen. Israel setze auch immer wieder schweres Kriegsgerät gegen dicht bevölkerte Gebiete ein, darunter auch in Flüchtlingslagern, beobachtet die Frankfurter Hilfsorganisation.

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Auch eine seit Monaten geplante Hilfsaktion zur Evakuierung von 32 verletzten Kindern aus Gaza nach Deutschland haben die Behörden laut einem Bericht des Bayerischen Rundfunks (BR) endgültig verhindert. Bundesweit mehr als 40 Einrichtungen hatten ihre Unterstützung für die Behandlung der Kinder zugesagt, aber das Auswärtige Amt und das Bundesinnenministerium lehnten das Vorhaben wegen Sicherheitsbedenken ab.

Zur Begründung hieß es, die Kinder könnten wegen ihres Zustandes nur mit Angehörigen einreisen, und diese wiederum Verbindungen zur Hamas haben. Außerdem bestanden die Ministerien vor einer Genehmigung auf einer Klärung, wie die Rückkehr der Patienten in den Gazastreifen gewährleistet werden könnte.

Für die nach israelischen Angriffen verletzten Gaza-Kinder hatte das Medizinerbündnis bereits Spenden für die Kosten der Flüge, Behandlungen und Unterkünfte gesammelt. Die Organisatoren zeigten sich deshalb zutiefst enttäuscht über die Blockade durch die Behörden. »Das Ergebnis ist niederschmetternd, wir sind fassungslos. Von sieben Kindern wissen wir, dass sie inzwischen verstorben sind. Ein Bein musste amputiert werden, das in Deutschland vermutlich hätte gerettet werden können«, zitiert der BR aus einem internen Schreiben.

Anmerkung (8. August 2024): In dem Artikel hieß es, von den nicht bearbeiteten Anträgen seien auch Asylsuchende aus dem Westjordanland betroffen – auch, da das BMI nach eigenen Angaben in seiner Statistik nicht nach deren Herkunft unterscheiden könne. Auf Nachfrage der MdB Clara Bünger hat das Ministerium diese Angaben nun konkretisiert: Der Verfahrensaufschub bezieht sich demnach »ausschließlich auf asylrechtliche Verfahren von Personen, deren gewöhnlicher Aufenthaltsort der Gazastreifen ist«.

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