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Budapest-Komplex: Vielleicht keine Auslieferung
Gesuchte Antifaschisten sollen in Deutschland vor Gericht
Sieben aus Ungarn gesuchte Aktivist*innen haben sich vor drei Wochen den Behörden gestellt, nun rückt ihre wichtigste Forderung in greifbare Nähe: Sie sollen in Deutschland vor Gericht gestellt werden, berichtet die »Süddeutsche Zeitung« (SZ). Der Generalbundesanwalt (GBA) habe den für Auslieferungsverfahren zuständigen Generalstaatsanwaltschaften mitgeteilt, »dass nach unserer Einschätzung die hiesigen Ermittlungen vorrangig sind«.
Die Nachricht hat jedoch einen Haken: Der GBA kann nur einen Hinweis an die Justizbehörden geben. Das bestätigte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft dem »nd«. Die Entscheidung über die Auslieferungsverfahren läuft weiter über die Oberlandesgerichte in den Bundesländern, wo sich die sieben gestellt haben. Auch ob sie in Untersuchungshaft bleiben müssen, entscheiden die Gerichte in den Bundesländern. Ihre Anwält*innen fordern wegen fehlender Fluchtgefahr Haftverschonung.
Zudem ist die SZ-Meldung, wonach der Hinweis der GBA »alle« ehemals Gesuchten betrifft, nicht ganz korrekt: Es geht nur um die sechs Beschuldigten mit deutschem Haftbefehl. Von einer Überstellung nach Budapest bedroht ist weiterhin Zaid A., der nur mit einem EU-Haftbefehl aus Ungarn gesucht wird. So erklärte es dem »nd« auch ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft in Köln, wo sich der Syrer mit einer Deutschen gestellt hatte. In Deutschland genießt er Flüchtlingsschutz – er ist deshalb im Auslieferungsverfahren wie ein deutscher Staatsangehöriger zu behandeln, argumentiert seine Anwältin.
Die Antifaschist*innen sollen wegen angeblich gefährlichen Körperverletzungen beim rechtsextremen »Tag der Ehre« vor zwei Jahren in Budapest vor Gericht. Zusammen mit insgesamt 18 Personen sollen sie aus Sicht der Staatsanwaltschaften eine linksextreme kriminelle Vereinigung gegründet haben. Ein Urteil wurde dazu in Budapest bereits gesprochen, gegen eine weitere Deutsche wird verhandelt. Die aus Italien stammende EU-Abgeordnete Ilaria Salis wurde während ihres Prozesses aufgrund von Immunität entlassen.
Nach einer Auslieferung aus Deutschland wartet die ebenfalls in Budapest angeklagte non-binäre Person Maja T. auf ihren Prozessbeginn am 21. Februar. Vergangene Woche bestätigte das Bundesverfassungsgericht, dass ihre Überstellung rechtswidrig war. Maja T. müsse nun mit allen Mitteln »zurückgeholt« werden, schreibt das Budapest Solidaritätskomitee (BASC) aus Berlin. Sofern dies nicht möglich ist, müsse sich die Bundesregierung für ihre Entlassung in Hausarrest einsetzen, fordert der Sprecher einer Elterninitiative.
Ebenfalls am heutigen Dienstag hat das BASC einen Brief von T. veröffentlicht. Darin heißt es, dass eine nach sechs Monaten erwartete Haftprüfung ausblieb. Das Budapester Gericht habe bis zu drei Jahre Zeit für ein erstes Urteil, bis dahin könne die Untersuchungshaft andauern.
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