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Grundgesetzänderung soll unabhängige Justiz schützen
Mit einer gemeinsamen Initiative wollen Ampel und CDU das Verfassungsgericht gegen Demokratiefeinde wappnen. Juristen fordern drastischere Maßnahmen
Die Ampel-Fraktionen und die Union haben sich darauf geeinigt, die Zahl der Richter und weitere zentrale Vorgaben zur Struktur des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz zu verankern. Damit wollen sie die Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit des Gerichts »auch in stürmischen Zeiten« sicherstellen.
Der jetzige Entwurf gilt als Minimalkompromiss zwischen SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU. Juristenverbände begrüßen das Vorhaben zwar, fordern aber zusätzliche Maßnahmen.
Das soll sich ändern
Zum einen sollen die Zahl der Senate und Richter, deren zwölfjährige Amtszeit und die Altersgrenze von 68 Jahren ins Grundgesetz aufgenommen werden. Außerdem soll eine Wiederwahl der Richter ausgeschlossen werden. Damit will man eine einseitige politische Einflussnahme auf das Gericht verhindern – etwa durch die Wahl zusätzlicher, parteitreuer Richter oder eine Verkürzung der Amtszeit, um unliebsame Richter loszuwerden.
All das steht zwar auch im Verfassungsgerichtsgesetz, dieses ließe sich aber schon mit einer einfachen Mehrheit im Bundestag ändern. Durch eine Regelung im Grundgesetz würde eine Neuregelung erheblich schwerer werden, es bräuchte dann nämlich eine Zweidrittelmehrheit.
»Die Beispiele Polens und Ungarns haben auf alarmierende Weise gezeigt, wie schnell vermeintlich stabile Rechtsstaaten kippen können, wenn illiberale Kräfte es darauf anlegen.«
Sven Rebehn, Deutscher Richterbund
Eine neue Klausel soll zudem dafür sorgen, dass bei der Wahl neuer Verfassungsrichter das jeweils andere Wahlorgan einspringen kann, wenn es in Bundestag oder Bundesrat über längere Zeit keine Zweidrittelmehrheit für einen Kandidaten geben sollte. An dem Grundsatz, dass die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts jeweils zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt werden, soll festgehalten werden.
»Das Bundesverfassungsgericht ist Schutzschild der Grundrechte, aber sein eigener Schutzschild braucht noch mehr Widerstandskraft«, sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) am Dienstag bei der Vorstellung der gemeinsamen Pläne in Berlin. Es sei gut, dass ein Mechanismus gefunden worden sei, um etwaige Blockaden bei Verfassungsrichterwahlen zu verhindern, erklärte der Justiziar der Unionsfraktion, Ansgar Heveling. »Damit ist das Bundesverfassungsgericht auch für stürmische politische Zeiten gerüstet.«
Dass diese Initiative notwendig sei, begründeten die Politiker mit Bestrebungen »in einzelnen europäischen Ländern«, die darauf gerichtet waren, die Unabhängigkeit der Justiz infrage zu stellen. Unter anderem Erfahrungen aus Polen wurden in die Überlegungen einbezogen. In Polen hatte die mittlerweile abgewählte nationalkonservative PiS-Regierung gleich nach ihrem Antritt damit begonnen, das Justizwesen nach ihren Vorstellungen umzubauen.
Juristen fordern weitere Maßnahmen
Juristenverbände begrüßten das Vorhaben. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) sprach am Dienstag von »wichtigen und klugen Vorschlägen«, mit denen Richterinnen und Richter »vor politischen Übergriffen geschützt werden«. Der Deutsche Richterbund (DRB) nannte es erfreulich, dass sich Regierung und größte Oppositionspartei auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt hätten. Beide Verbände forderten aber zusätzliche Änderungen.
»Die Beispiele Polens und Ungarns haben auf alarmierende Weise gezeigt, wie schnell selbst vermeintlich stabile Rechtsstaaten kippen können, sofern illiberale Kräfte es darauf anlegen«, erklärte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbunds, Sven Rebehn. Die angekündigte Absicherung könne »nur ein erster Schritt sein, um den Rechtsstaat insgesamt wehrhafter gegen Extremisten aufzustellen«.
Insbesondere müsse das Verfahren zur Besetzung von Richterstellen »gesetzlich überall in Deutschland so ausgestaltet sein, dass es nicht parteipolitisch instrumentalisiert werden kann«, forderte Rebehn – auch in den Ländern. Der DAV forderte ebenfalls, dass alle künftigen Änderungen des Verfassungsgerichtsgesetzes und insbesondere die Quoren für Richterwahlen nicht länger mit einer einfachen Mehrheit des Bundestages abgeändert werden könnten. Denn der jetzige Entwurf hat eine große Leerstelle: Dass Verfassungsrichter mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden müssen, ist derzeit nur in einem einfachen Gesetz festgelegt und kann mit einfacher Mehrheit geändert werden.
Diese Regelung ins Grundgesetz zu schreiben, planen die Ampel-Fraktionen derzeit noch nicht. Der DAV fordert, dass zumindest wesentliche Verfahrens- und Wahlregelungen einer Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Mit Agenturen
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