Bewerbungsschreiben für H2-Einfuhren

Bundeskabinett beschließt umstrittene Wasserstoff-Importstrategie

Baustelle für eine neue Gaspipeline in Baden-Württemberg, durch die dereinst Wasserstoff fließen soll
Baustelle für eine neue Gaspipeline in Baden-Württemberg, durch die dereinst Wasserstoff fließen soll

Von einem »heillosen Durcheinander« in der Wasserstoffdebatte spricht Felix Matthes, Energieexperte des Öko-Instituts. Wenn Minister und Staatssekretäre von ihren Reisen durch die Welt Willensbekundungen zu Wasserstoffimporten mitbringen, gehe es meist um Derivate. Wie zuletzt bei einem Vertrag mit Ägypten, das ab 2027 gut 250 000 Tonnen grünen Ammoniak liefern soll. Aktuell wird laut Matthes aber vor allem Wasserstoff für die Industrie »angereizt«. Dieser soll per Pipeline kommen und daher über nicht sehr große Strecken etwa aus Nord- und Südeuropa oder Nordafrika. Derivate können per Schiff auch von weither hertransportiert werden.

Etwas mehr Klarheit bringen soll die Strategie zum Import von Wasserstoff, die vom Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen wurde. Eine »nachhaltige, stabile, sichere und diversifizierte« Versorgung sei im strategischen Interesse Deutschlands, heißt es darin. Dies solle auch ein »Signal« sein an die deutsche Wirtschaft für eine verlässliche Versorgung mit ausreichenden Mengen. Denn zum allgemeinen Kuddelmuddel gehört auch, dass in unzähligen Bereichen Bedarf angemeldet wird, während nennenswerte Produktionsmengen nicht bereitstehen und ein Markt erst im Entstehen ist.

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Gerade grüner, mit erneuerbaren Energien hergestellter Wasserstoff, der für das Ziel der Klimaneutralität wichtig sein wird, ist bislang kaum verfügbar. Der EU-Rechnungshof hatte kürzlich gefordert, die unrealistisch hohen Ziele für Europa bis 2030 zu revidieren, was sich auf Deutschland herunterbrechen lässt. Bisher sieht die Regierung im Jahr 2030 einen Bedarf an Wasserstoff und Derivaten in Höhe von 95 bis 130 Terawattstunden (TWh), der bis 2045 auf 360 bis 500 TWh für Wasserstoff sowie 200 TWh für Wasserstoffderivate steigen soll. Das ist mehr, als alle Privathaushalte zuletzt an Energie verbrauchten.

Deutschland kann derartige Mengen nicht selbst herstellen. 2030 werden rund 50 bis 70 Prozent aus dem Ausland kommen müssen, wie es in der Importstrategie heißt. Diese ist daher auch eine Art Bewerbungsschreiben an mögliche Anbieter. Laut Matthes geht es um »ein Signal, dass Deutschland ein verlässlicher und vor allen Dingen auch zahlungsbereiter Importeur von Wasserstoff und Wasserstoffderivaten ist«. Es gehe nicht darum, irgendwelche Zahlen aufzuschreiben, sondern letztlich um viel Geld.

In dem Konzept werden vier Pipeline-Importkorridore für Wasserstoff genannt: aus dem Nordseeraum, Ostseeraum, Südwesteuropa und Südeuropa. Die Kooperation mit den jeweiligen Anrainerstaaten soll aufgebaut und vertieft werden, wie es in der Strategie heißt. Die erste grenzüberschreitende Pipeline ist zwischen Deutschland und Dänemark angedacht und könnte Ende 2028 in Betrieb gehen.

Für Kritiker sieht es danach aus, dass sich Deutschland alles unter den Nagel zu reißen versucht, was auf dem absehbar engen Weltmarkt zu haben ist. Wie beim Flüssiggas-Import drohten massive Überkapazitäten in der Infrastruktur – bei Pipelines und auch bei Anlandestellen für Derivate. Zu diesem Zweck seien auch die sozialen Standards und Nachhaltigkeitskriterien für Wasserstoffpartnerschaften, verglichen mit einem früheren Entwurf der Strategie, gelockert worden. Und man setzt auch auf sogenannten blauen Wasserstoff, der fossiles Erdgas mit CO2-Abscheidung kombiniert. Norwegen gilt hier als wichtigstes Lieferland. »Der Wasserstoffhunger der Bundesregierung kennt offenbar keine klimapolitischen Grenzen«, kritisiert DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. »Ohne ein klares Bekenntnis zu nachhaltigem grünem Wasserstoff und konkrete Ansätze für eine effiziente Nutzung wird der erhoffte Klima-Effekt ins Absurde geführt.«

Wasserstoff und seine Derivate sind generell mit enormen Energieverlusten bei Produktion, Umwandlung und Transport verbunden. Umweltverbände fordern daher genau wie Energieexperten »eine Fokussierung des knappen Wasserstoffs auf die Dinge, wo wir ihn wirklich brauchen für die Dekarbonisierung«, wie es Tilmann Altenburg vom German Institute of Development and Sustainability in Bonn ausdrückt. Als Einsatzbereiche sieht er die Stahl- und Chemieindustrie, Schwerlast- und Flugtransport, aber nicht E-Fuels, um die sich die Debatte um die Aufweichung des EU-Verbrennerverbotes dreht. Automobile mit Wasserstoff zu betreiben, sei eine »große Verschwendung«. Denn alles, was man direkt elektrifizierten kann, sollte man direkt elektrifizieren.

Altenburg sieht zudem eine Reihe ungelöster Zielkonflikte: Während die deutsche Seite Interesse habe, möglichst viel Wertschöpfung im Land zu halten, zielten die meisten Strategien von möglichen Lieferländern etwa im globalen Süden darauf ab, vor Ort zu dekarbonisieren, ehe sie exportieren, und zudem die lokale Wertschöpfung zu erhöhen.

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