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Urteil: Wahlrechtsreform der Ampel teils verfassungswidrig

Überhang- und Ausgleichsmandate dürfen wegfallen, Grundmandatsregel soll bleiben

  • Lesedauer: 3 Min.
Die Wahlrechtsreform der Ampel kann so nicht stehen bleiben - sagt das Bundesverfassungsgericht.
Die Wahlrechtsreform der Ampel kann so nicht stehen bleiben - sagt das Bundesverfassungsgericht.

Berlin.  Die von der Ampel-Koalition verschlossene Reform des Bundeswahlgesetzes ist in Teilen verfassungswidrig. Das urteilte am Dienstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Dabei geht es um die Aufhebung der sogenannten Grundmandatsklausel im neuen Wahlrecht.

Ihr zufolge waren Parteien auch dann in der Stärke ihres Zweitstimmenergebnisses in den Bundestag eingezogen, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde lagen, aber mindestens drei Direktmandate gewannen. Dies setzte das Gericht nun vorerst wieder in Kraft, bis der Gesetzgeber eine Neuregelung verabschiedet hat. (Az. 2 BvF 1/23 u.a.)

Bereits am späten Montagabend kursierte das Urteil online. Das Dokument war zeitweise auf der Internetseite des obersten deutschen Gerichts abrufbar, mehrere Medien berichteten darüber. Wie es zu der vorzeitigen Veröffentlichung kam, blieb zunächst offen.

Die von der Koalition aus SPD, FDP und Grünen durchgesetzte Neuregelung ist seit Juni 2023 in Kraft und sollte erstmals bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr angewendet werden. Mit der Reform soll der Bundestag auf die eigentlich vorgesehene Größe reduziert werden - verglichen mit dem aktuellen Stand um mehr als 100 auf maximal 630 Parlamentarier.

Um das zu erreichen, hat die Koalition Überhang- und Ausgleichsmandate gestrichen. Überhangmandate fielen bislang an, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Direktmandate gewann, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Sitze zustanden. Diese Mandate durfte sie dann behalten, die anderen Parteien erhielten dafür Ausgleichsmandate. Dass die Ampel die Überhang- und Ausgleichsmandate gestrichen hat, ist aus Sicht der Karlsruher Richterinnen und Richter verfassungskonform.

Vor allem Linke und CSU von Reform betroffen

In Karlsruhe waren gegen das Gesetz die bayerische Staatsregierung, 195 Mitglieder der Unionsfraktion im Bundestag, Die Linke im Bundestag sowie die Parteien CSU und Linke vorgegangen. Zudem hatten mehr als 4000 Privatpersonen eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Die Antragssteller und Beschwerdeführer sahen vor allem zwei Grundrechte verletzt: die Wahlrechtsgleichheit nach Artikel 38 und das Recht auf Chancengleichheit der Parteien nach Artikel 21 im Grundgesetz.

Durch den geplanten Wegfall der Grundmandatsklausel stand insbesondere für CSU und Linke einiges auf dem Spiel. Bei der Wahl 2021 war die CSU, die nur in Bayern antritt, bundesweit auf 5,2 Prozent der Zweitstimmen gekommen. Würde sie bei der nächsten Wahl bundesweit hochgerechnet unter die Fünf-Prozent-Marke rutschen, flöge sie nach dem neuen Wahlrecht aus dem Bundestag - auch wenn sie wieder die allermeisten Wahlkreise in Bayern direkt gewinnen sollte.

Die Linke zog wiederum bei der letzten Bundestagswahl nur über die Grundmandatsklausel in Fraktionsstärke in den Bundestag ein. Die Partei scheiterte 2021 an der Fünf-Prozent-Hürde, gewann aber drei Direktmandate. Nach der Abspaltung des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) steckt die Linke wieder tief in der Krise. Bei der Europawahl Anfang Juni erzielte sie nur noch 2,7 Prozent.  dpa/nd

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