Wahlgesetz: Eine Chance für Die Linke

Wolfgang Hübner über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Reform des Wahlrechts

Linke-Politiker und Rechtsanwalt Gregor Gysi in Karlsruhe bei der Verkündung der Entscheidung zum Wahlrecht
Linke-Politiker und Rechtsanwalt Gregor Gysi in Karlsruhe bei der Verkündung der Entscheidung zum Wahlrecht

Die Linke hat in diesen Zeiten wenig zu lachen – am Dienstag konnte sie immerhin aufatmen. Denn das Bundesverfassungsgericht hat eine Passage des neuen Wahlrechts zurückgewiesen, die maßgeblich der Linken das Leben sehr schwer gemacht hätte. Die von der Ampel beschlossene Abschaffung der Grundmandatsklausel, laut der eine Partei mit drei Direktmandaten auch unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde in den Bundestag einzieht, ist den Richtern zufolge nicht grundgesetzkonform. Genau diese Grundmandatsklausel war bisher eine Art Lebensversicherung für Die Linke.

Man konnte den Eindruck haben, dass Ampel- und Unionspolitiker diesen nun verworfenen Passus speziell der Konkurrenz von links gewidmet hatten. Das eigentliche Ziel der Reform, die Größe des Bundestags in Grenzen zu halten, ist legitim. Es wird nun mit Mitteln angestrebt, die ein zumindest gefühltes Demokratiedefizit erzeugen werden. Dass nicht mehr jeder Wahlkreissieger ein Mandat sicher hat, wird manchen Zweifel am Sinn des Wählens schüren. Regierung und Parlament müssen das Gesetz nun verfassungsgemäß verändern. Sinnvoll wäre es, die Absenkung der Fünf-Prozent-Hürde wenigstens zu erwägen; bei der EU-Wahl etwa gibt es sie in Deutschland nicht mehr.

Wie es auch kommt: Die Chancen der Linkspartei, nächstes Jahr wieder in den Bundestag einzuziehen, sind mit der Entscheidung aus Karlsruhe zumindest theoretisch besser. Praktisch wird es enorm schwer, aus dem jetzigen Tief wieder über fünf Prozent zu kommen oder drei Direktmandate zu holen. Ein verschärftes Wahlrecht wäre jedenfalls keine Ausrede mehr für ein mögliches Scheitern. Karlsruhe hat den Weg frei gemacht; bewältigen muss Die Linke ihn aus eigener Kraft. Das Urteil zu feiern hat sie eigentlich keine Zeit.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.