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Berliner Schulen: Es geht noch schlimmer
Berliner Schüler schneiden erneut schlecht bei Vergleichstest ab
Die übliche Katastrophe: Erneut erreichen Berliner Grundschüler bei einem Vergleichstest einen neuen Tiefstand. Aus den Ergebnissen der bundesweiten Vergleichsstudie »Vera«, über die »Berliner Morgenpost« und »Tagesspiegel« vorab berichteten, geht hervor, dass 43 Prozent der Drittklässler nicht die Mindestanforderungen im Bereich Lesen und Zuhören erfüllen. Im Bereich Mathematik sind es 46 Prozent. Nur 19 Prozent der Schüler schafften es, deutlich über den Regelstandards abzuschneiden. Getestet wurden fast alle der etwa 30 000 Drittklässler in Berlin.
Zumindest eine kleine Ehrenrettung bekommen die wenig treffsicheren ABC-Schützen allerdings: Der Vera-Vergleichstest ist bewusst besonders schwierig angelegt. So werden auch Kompetenzen abgefragt, die eigentlich erst in der vierten Klasse erworben werden sollen. »Um die vorhandenen Kompetenzen der Lernenden möglichst differenziert auch am unteren und oberen Ende des Leistungsspektrums erfassen zu können, werden in den Tests Aufgaben unterschiedlicher Schwierigkeitsgrade zusammengestellt«, heißt es auf der Webseite des Instituts für Schulqualität der Länder, die die Vera-Studie konzipiert und durchführt. »Dies führt dazu, dass selbst gute Schülerinnen und Schüler häufig nicht alle Aufgaben lösen können.«
Die Vergleichstests werden auch strenger bewertet als bei Klassenarbeiten üblich: So werden nur vollständig richtig gelöste Aufgaben positiv gewertet. Für richtig gelöste Teilaufgaben gibt es dagegen keine Punkte. In der Vergangenheit wurde zudem kritisiert, dass die Aufgaben im Bereich Lesen und Zuhören ein für Schüler in diesem Alter ungewohntes Vokabular nutzen. Im Jahr 2010 wurde etwa ein kasachisches Märchen als Lesetext verwendet.
Dies erklärt allerdings nicht, warum sich die Leistungen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich verschlechtert haben. 2017 scheiterten nur 30 Prozent der Drittklässler an den Anforderungen im Bereich Lesen und Zuhören. Seitdem hat sich der Anteil jener Schüler, die die Standards nicht erreichen, Jahr für Jahr erhöht. In diesem Jahr ist der Sprung besonders groß: 2023 waren noch 35 Prozent der Drittklässler an den Lese- und Zuhöraufgaben gescheitert. Im Bereich Mathematik lag der Anteil derjenigen, die die Anforderungen nicht erreichen, 2017 noch bei 28 Prozent – der Anteil der Risikoschüler ist also um etwa 60 Prozent gestiegen.
Auch Schüler an weiterführenden Schulen wurden getestet: An Integrierten Sekundar- und an Gemeinschaftsschulen scheiterten 74 Prozent der Achtklässler an den Anforderungen im Fach Mathematik. Beim Lesen verfehlten 62 Prozent der Schüler die Anforderungen. Etwas besser sieht es in anderen Bereichen aus: Im Bereich Orthografie scheiterten nur vergleichsweise geringe 30 Prozent der Schüler an den Mindeststandards, die Ergebnisse im Fach Englisch sind ebenfalls relativ betrachtet weniger dramatisch.
Auch an Gymnasien fallen die Ergebnisse deutlich besser aus: Hier erreichten 62 Prozent der Achtklässler die Regelstandards in Mathematik, beim Lesen waren es 73 Prozent. Im Bereich Rechtschreibung erfüllten an den Gymnasien sogar 92 Prozent der Schüler die Regelanforderungen.
Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) nannte die Ergebnisse in einem Statement »besorgniserregend«. Berlin schneide auch im Bundesvergleich schlecht ab. »Es reicht nicht, wie in den vergangenen Jahren immer mehr Ressourcen in das System zu geben«, so Günther-Wünsch. Um die Lesekompetenz an Grundschulen zu stärken, soll nun ein sogenannter Leseband eingeführt werden. Mithilfe dieses Lesebuchs sollen die Schüler regelmäßig gemeinsam das verstehende Lesen üben. In den Fächern Deutsch und Mathematik sollen auch an Grundschulen Fachleitungen eingerichtet werden. Sie sollen datenbasiert strategische Entscheidungen an den Schulen treffen. An den weiterführenden Schulen existieren solche Stellen bereits, nun sollen zunächst 72 Stellen an Grundschulen dazukommen.
Franziska Brychcy, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, hält die Ergebnisse für die »Talsohle« einer langfristigen Entwicklung. Man spüre nun die Nachwirkungen der Corona-Pandemie. »Die Kinder, die jetzt die dritte Klasse besuchen, waren von den Kita-Schließungen betroffen«, so Brychcy. Dort sollten sie eigentlich auf den Schulbesuch vorbereitet werden. Auswirkungen auf das Ergebnis habe auch, dass Berlin viele Kriegsflüchtlinge aufgenommen habe. Allein 10 000 ukrainische Kinder habe man etwa in kurzer Zeit in das Schulsystem integrieren müssen.
Auch Brychcy hält es für einen richtigen Schritt, Fachleitungen an Grundschulen einzuführen. Sie wünscht sich allerdings, dass deutlich mehr Stellen ausgeschrieben werden. Gerade werde nur ein Fünftel der geplanten Stellen besetzt. »Wir brauchen diese Kräfte flächendeckend«, so Brychcy. Mit Sorge sieht sie die Diskussion um mögliche Kürzungen im Bildungsbereich im Zuge der Berliner Haushaltskrise: »Die Ergebnisse müssen ein Fingerzeig sein, dass man nicht bei der Bildung sparen kann.« Bundesmittel aus dem Startchancen-Programm können laut Brychcy in Berlin noch nicht fließen, weil der Senat immer noch an Förderrichtlinie arbeitet.
An Integrierten Sekundarschulen und Gemeinschaftsschulen scheiterten 74 Prozent der Achtklässler an den Anforderungen im Fach Mathematik.
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