Energiewende selbst gemacht

Das Solarcamp for Future in Berlin ermöglicht Freiwilligen einen Einstieg ins Photovoltaik-Handwerk

Solarer Umbau in eigener Hand: Interessierte lernen, wie man Solarpanel einbaut.
Solarer Umbau in eigener Hand: Interessierte lernen, wie man Solarpanel einbaut.

»Habt ihr gesehen, wie er den Akku herausgenommen hat, bevor er die Scheibe wechselte?« Gerhard Marquardt möchte sichergehen, dass dieses Detail nicht unbemerkt bleibt. Kollektives Nicken. Es geht um den Austausch der Trennscheibe eines Winkelschneiders. »Und woher wusstest du, dass die Scheibe nicht viel zu heiß ist?«, fragt Monika, die gleich mit dem Üben an der Reihe ist. »Deshalb habe ich mir ja die Handschuhe angezogen«, lautet die Antwort des Einweisers. Jetzt, mit frischer Scheibe, macht Monika sich ans Werk. Sicherheitsbrille und Gehörschutz hat sie sich schon aufgesetzt. Unter grellem Maschinenkreischen durchtrennt sie die Aluminiumschiene der Unterkonstruktion einer Photovoltaik- oder kurz: PV-Anlage. Ein glatter Schnitt.

Es ist ein Nachmittag Ende Juli. In Halle 13 des ehemaligen Filmstudios Atelier Gardens, südlich des Tempelhofer Feldes, lernen Freiwillige alles rund um die Installation von Solarstromanlagen. Zwei Wochen lang findet hier das »Solarcamp for Future Berlin« statt, organisiert von Freiwilligen, zu denen auch Gerhard Marquardt gehört.

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Bei Solarcamp for Future handelt es sich um eine bundesweite Organisation, die aus einer Idee von Fridays for Future hervorgegangen ist, erklärt Marquardt gegenüber »nd«. Es gehe darum, die Energiewende konkret voranzutreiben. Denn auch in der Solarindustrie würden händeringend Arbeitskräfte gesucht. Auf den Camps sollen deshalb »PV-Assistenzkräfte« ausgebildet werden, die Installationsunternehmen bei der Montage von Solarpanelen unterstützen können. Elf Lokalgruppen gibt es inzwischen, die diese Praktika der etwas anderen Art regelmäßig organisieren. Im August sind unter anderem noch Camps in München und Köln geplant, im September steht eines im sächsischen Altenburg an.

An Aufstellern im Eingangsbereich der Halle hängen Plakate mit wichtigen physikalischen Einheiten: »Spannung – U – Volt«, steht darauf, oder »Strom – I – Ampère«. Daneben eine Darstellung mit der sogenannten Kennlinie einer Solarzelle: sie zeigt an, wie sich der erzeugte Strom bei unterschiedlicher Sonneneinstrahlung verändert. In den zwei Wochen geht es auch um die theoretischen Grundlagen und die Planung von PV-Anlagen. Doch gerade sind die Stühle vor den Infotafeln leer, heute Nachmittag ist Praxis angesagt.

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Dafür sind im hinteren Hallenteil zwei Übungsdächer aufgebaut, die von der Größe her auf kleine Gartenlauben passen könnten. Hier können die Teilnehmenden unter realitätsnahen Bedingungen lernen – ohne die Sturzgefahr aus gefährlichen Höhen. Gerade befestigt einer von ihnen eine Aluminiumschiene auf einem Ziegeldach. Auf dem anderen Übungsobjekt ist man schon weiter: hier geht es darum, die Solarmodule zu befestigen.

Zu den Teilnehmenden gehört Marieke, sie ist Zimmerin aus Leipzig und möchte ihren Kunden zukünftig auch anbieten, PV-Anlagen zu installieren. »Auf dem Camp möchte ich mir dazu Theorie und Praxis abholen«, sagt sie. »Und so viel üben, bis ich im Halbschlaf eine PV-Anlage montieren kann.«

Doch wie weit ist man nach zwei Wochen Fortbildung wirklich? »Das reine Montieren, das darf eigentlich jeder«, erklärt Gerhard Marquardt. »Nur wenn es um den Anschluss an den Strom geht, muss ein ausgebildeter Elektriker ran.« Eugen Sobik ist Ingenieur und betreibt eine eigene PV-Montagefirma in Berlin, die das Solarcamp unterstützt. Er sagt: »Die Dachmontage an sich ist kein Hexenwerk.« Deshalb könne man nach der Teilnahme am Solarcamp auch Hilfsarbeiten ausüben, auf Dächern, die nicht zu hoch sind.

Sobik ist nicht nur hier, um den Beruf »Solarteur«, also Fachkraft für den Bau und die Instandhaltung von Solaranlagen, bekannter zu machen. Ihm geht es auch darum, Menschen für eine Technologie zu begeistern. Denn selbst ein einfaches Balkonkraftwerk sei letztlich ja ein »eigenes Elektrizitätswerk für zu Hause«. Man kann dann etwa auf einer App beobachten, wie viel Strom man selbst produziert. Diese Schwankungen zu verfolgen, das sei wie eine Droge, die süchtig macht, erzählt Sobik.

Ein eigenes Elektrizitätswerk: das hat auch Max zum Solarcamp gebracht. »Ich plane gerade selbst eine Anlage auf dem Bungalow meiner Oma«, erzählt er. »Die möchte ich eigenhändig installieren.« Das theoretische Know-how bringt er aus seinem Studium der regenerativen Energien mit. Doch der Student ist enttäuscht über den fehlenden Praxisbezug an seiner Hochschule. »Wenn man selbst Dachanlagen plant, sollte man auch genau wissen, wie die Montage abläuft«, sagt er.

Man muss aber keine ausgebildete Handwerkerin sein, oder etwas im Bereich erneuerbare Energien studieren, um am Solarcamp teilzunehmen. Die 24 Teilnehmenden seien zu etwa gleichen Anteilen Schüler*innen, Arbeitssuchende und Beschäftigte, so Marquardt.

Er und die restlichen Organisator*innen des Solarcamps wissen, dass es bei der Energiewende nicht allein damit getan ist, handwerkliche Fähigkeiten zu vermitteln. Zumal sie durch den Kontakt mit Unternehmen gemerkt haben, dass der Mangel an Elektrikern, die die Solaranlagen an den Strom anschließen, der eigentliche »Flaschenhals der Energiewende« sind. Deshalb ist es ihnen wichtig, auch über die politischen Rahmenbedingungen zu diskutieren. Auf dem Programm stehen deshalb Informationsveranstaltungen und Podiumsdiskussionen, etwa zu den Herausforderungen des Ausbaus erneuerbarer Energien in Berlin; oder über die Idee von Bürgerkraftwerken, für die sich Menschen organisieren und genossenschaftlich eigene Solar- oder Windkraftwerke betreiben.

»Das reine Montieren, das darf eigentlich jeder.«

Gerhardt Marquardt Solarcamp for Future

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