B.L.O. Ateliers: Endstation für die freie Kunst

Der Mietvertrag für das Lichtenberger Kulturareal ist beendet. Verhandlungen mit dem Vermieter Deutsche Bahn bleiben offen

Kein Kunstzauber im »Hexenhaus«: Dies ist nur eine der Werkstätten, die die Künstler*innen seit dem 26. April aus Brandschutzgründen nicht nutzen können.
Kein Kunstzauber im »Hexenhaus«: Dies ist nur eine der Werkstätten, die die Künstler*innen seit dem 26. April aus Brandschutzgründen nicht nutzen können.

Zwanzig Jahre lang werkelten am Nöldnerplatz fast einhundert Künstler*innen in Selbstverwaltung. Auf einem 12 000 Quadratmeter großen Areal bauten sie Bogen, restaurierten Möbel oder schminkten Berühmtheiten für Filmsets. Seit dem 26. April können sie ihre Werkstätten, die B.L.O. Ateliers, nicht mehr betreten. Denn ihr Vermieter, die Deutsche Bahn InfraGO (im folgenden DB), hat eine »Nutzungsuntersagung« für die Räume ausgesprochen. Die Elektroanlage auf dem Gelände sei nicht sicher und stellt eine Gefahr für den Brandschutz dar. Am 1. August endet der Mietvertrag zwischen der DB und dem Trägerverein der B.L.O. Ateliers namens Lockkunst.

Die DB hat nun einen neuen Mietvertrag für zwei Jahre angeboten. Dieser verpflichte den Verein, für die »Erneuerung der gesamten Elektroanlage und Übernahme der kompletten Instandhaltungsverantwortung« aufzukommen, wie es in einer Presseerklärung von Lockkunst vom 31. Juli heißt.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

»Zwei Jahre Nutzung machen nur Sinn, wenn sich die Miete refinanziert«, sagt der Vereinssprecher Tim Voss »nd«. In dieser kurzen Zeit sei das für den Verein, der sich zwanzig Jahre lang ohne Förderung selbst trug, nicht möglich. Stattdessen bräuchten die freischaffenden Künstler*innen einen langfristigen Mietvertrag. »Im besten Fall 30 bis 60 Jahre«, sagt Voss. Konkrete Pläne für die weitere Nutzung des Kulturstandorts und auch für eine Refinanzierung habe der Verein. Vonseiten der DB bleibt bisweilen die Antwort auf die Frage nach konkreten Nutzungsplänen diffus: »Für die steigenden Anforderungen einer wachsenden Stadt Berlin an Mobilität überprüft die DB aktuell ihren Bedarf an Flächen im gesamten Stadtgebiet«, sagt ein DB-Sprecher »nd«. Klar ist jedoch: »Nach einer befristeten Vertragslaufzeit von maximal zwei Jahren soll das Gelände wieder für den Eisenbahnbetrieb genutzt werden.«

Kurzfristig bietet die DB laut Sprecher den Ateliers an, »den bisherigen Vertrag für drei Monate zu verlängern«, wenn sie der zweijährigen Vertragslaufzeit nicht zustimmen wollen. Parallel prüfe die DB, »ob man der Künstlergemeinschaft eine Ersatzfläche zur Verfügung stellen kann«. Für Voss ist klar, dass es eine langfristige Lösung des Stromproblems auf dem Gelände des ehemaligen Betriebsbahnhofs Lichtenberg geben muss, wenn die Werkstätten wieder nutzbar sein sollen. Derzeit gibt es keine Erdung im Stromnetz. Um diese zu installieren, hole der Verein derzeit Preise ein. Eine teure und temporäre Lösung wäre eine wie auf Baustellen: »Das hieße, dass alle Künstler von der Baustromsteckeranlage ihren Strom beziehen müssten und keinen eigenen Anschluss in der Werkstatt hätten.«

Bisher gab es sowohl auf Bundes-, Landes- als auch Kommunalebene eine breite Zustimmung für den Erhalt der B.L.O. Ateliers, darunter von Lichtenbergs Bezirksbürgermeister Martin Schäfer (CDU) und dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner. Auch Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch (Linke) und Christian Goiny (CDU) gehören dazu. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums sagt »nd«, dass das Ministerium keinen Einfluss auf die Verhandlungen zwischen der DB und dem Verein nehmen könne: »Die Entscheidung liegt beim Eigentümer.«

»Von AfD bis Links sprechen sich alle für unseren Erhalt aus«, sagt Tim Voss von Lockkunst. Jetzt werde man ausgesessen. »Die Chancen sind real, dass wir hier bald räumen müssen und eine weitere funktionierende Kulturinstitution aufgrund von Spekulationen verloren geht.«

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal