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Benjamin Ruß: Antikapitalismus als Ausschlusskriterium
TU München lehnt Einstellung von Benjamin Ruß ab, weil er linksradikal sei. Dagegen wehrt er sich vor Gericht
Benjamin Ruß zeichnet sich durch eine gewisse Hartnäckigkeit aus. Es war schon vor zwei Jahren, dass er eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Kartographie und visuelle Analytik der Technischen Universität München (TUM) in Aussicht hatte. Eine Professorin wollte den studierten Geografen mit Master-Abschluss in Urbanistik einstellen. Doch die Personalabteilung der Uni schickte ihm anschließend, wie in Bayern üblich, einen Fragebogen. Mit den Antworten will man die »Verfassungstreue« von Bewerbern prüfen.
Dann gab es Nachfragen und eine Anfrage an das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV). Auf der Basis der Einschätzung des Geheimdienstes lehnte die Uni dann die Anstellung von Ruß ab. Es bestünden zu große Zweifel an seiner Verfassungstreue – unter anderem wegen seiner »marxistischen Weltanschauung«, hieß es zur Begründung.
Ruß ließ das nicht auf sich sitzen, obwohl er längst einen anderen Job hat. Und klagte gegen den Freistaat Bayern und die TUM. Ausdrücklich unterstützt wird er dabei von seiner Gewerkschaft Verdi, deren Rechtsschutz er bei dem Verfahren in Anspruch nimmt.
Der Prozess begann schon Anfang dieses Jahres vor dem Arbeitsgericht München. Am Freitag fand die entscheidende Verhandlung statt, in der die Beklagte ausführlich ihre Positionen darlegen ließ. Das Urteil in dem Verfahren ist für den 7. August angekündigt.
Der Anwalt des Freistaats, Gerhard Greiner, machte klar, dass Ruß nicht nur wegen seiner von ihm selbst im Fragebogen angegebenen Mitgliedschaften im Linkspartei-nahen Studierendenverband SDS und der Hilfsorganisation für politische Gefangene, Rote Hilfe, ungeeignet für eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst sei. Greiner zitierte auch von Ruß veröffentlichte Texte, in denen er sich für die umfassende Wahrnehmung des Streikrechts und gegen das neue bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) positioniert, und stellte ihn als gefährlichen Linksextremisten dar.
In dem Artikel zum PAG von 2019 schrieb Ruß, Bayern könne man als »Brutstätte und Testlabor einer inneren Militarisierung bezeichnen«. An einer Demo gegen die extreme Ausweitung der Befugnisse der Polizei hatten sich damals allerdings 40 000 Menschen beteiligt, darunter Politiker von SPD, Grünen und FDP. Ruß ist also nicht allein mit seiner Kritik.
TUM-Kanzler Albert Berger hatte in einer Stellungnahme geschrieben, Ruß bediene sich »in der Gesamtheit seiner Äußerungen (...) klassischer Begriffe wie Faschismus, Rassismus, Kapitalismus, Polizeigewalt/-willkür, mittels derer auch die Gegnerschaft zur bestehenden Ordnung betont und begründet wird«.
»Wenn man in Bayern die demokratischen Grundrechte bis zur Grenze ausreizt, ist man anscheinend schon Verfassungsfeind. Man muss diese Grenze gar nicht überschreiten«, kommentierte Ruß nach der Verhandlung die Darstellungen von Greiner.
Der Wissenschaftler hat mit Hertha Däubler-Gmelin eine prominente Anwältin. Die frühere Bundesjustizministerin engagiert sich seit Jahren gegen das Wiederaufkommen von Gesinnungstests und Regelüberprüfungen von Bewerbern im öffentlichen Dienst bei den Verfassungsschutzämtern, die sie an die Berufsverbotspraxis der 1970er und 1980er Jahre erinnern. Schon damals kritisierte die SPD-Politikerin den unter der Ägide von Kanzler Willy Brandt beschlossenen »Radikalenerlass«. Dieser werde fast ausschließlich gegen Linke zum Einsatz gebracht.
Nach Einschätzung von Däubler-Gmelin besteht kein Grund für Zweifel an der Verfassungstreue von Ruß. Die TUM sei verpflichtet, ihn einzustellen, ist sie überzeugt. »Die Vorwürfe lassen sich nicht bestätigen und sind zu großen Teilen entkräftet«, betonte sie. Auch die »Behauptung, Benni Ruß habe aktiv an irgendwelchen Aktionen gegen Polizeibeamte teilgenommen«, sei falsch.
Bayern war und ist ein Vorreiter beim Ausschluss vor allem Linker aus dem öffentlichen Dienst. Vor 40 Jahren waren davon im Freistaat sogar SPD-Mitglieder oder Parteilose betroffen, die in Bündnissen mit Kommunist*innen zusammenarbeiteten. Und vor einigen Jahren kämpfte der Kommunikationswissenschaftler Kerem Schamberger lange um eine Doktorandenstelle an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, der sich selbst als Kommunist bezeichnet.
Die Gewerkschaft unterstützt Ruß nicht nur mit Rechtshilfe. Die Verdi-Betriebsgruppe der TUM steht hinter ihm, und Claudia Weber von Verdi München erklärte, die Gewerkschaft verstehe sich auch als »politische Organisation, die sich für die Demokratie und die Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse stark macht«. Dazu gehöre auch, sich »für die Freiheit der wissenschaftlichen Meinungsäußerung« einzusetzen.
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