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PCK-Raffinerie in Schwedt: Hängepartie vor Verlängerung
Für die PCK-Raffinerie in Schwedt fehlt noch immer eine langfristige Perspektive
Es ist ein Stichtag zwischen den Wahlen im Osten, der bedeutsam werden könnte: Nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen und vor der Wahl des Brandenburger Landtags am 22. September läuft am 10. September die Treuhandverwaltung der PCK-Erdölraffinerie in Schwedt aus. Und je nachdem wie sich die Situation in der Grenzstadt an der Oder bis dahin entwickelt, könnte sich daraus durchaus ein Einfluss auf den Ausgang der Wahlen ergeben.
Wiederholt und zuletzt im März hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) eine sechsmonatige treuhändische Verwaltung von Rosneft angeordnet, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Rosneft hält in Schwedt 54 Prozent der Anteile. Dass die Bundesregierung die treuhändische Verwaltung über den 10. September hinaus verlängern könnte, deutet nun die Antwort des BMWK auf eine Kleine Anfrage der Gruppe Die Linke im Bundestag an. Damit wird wieder keine langfristige Lösung für die Energieversorgung, den Wirtschaftsstandort und die Arbeitsplätze in der Region geschaffen. Alternativ zur treuhändischen Verwaltung standen bisher eine Verstaatlichung des russischen Staatskonzerns Rosneft Deutschland oder aber der freiwillige Verkauf von dessen Anteilen an der Raffinerie im Raum.
Im März hatte das BMWK mitgeteilt, dass die russischen Eigentümer die Absicht erklärt hätten, in der verlängerten Laufzeit ihre Anteile zu veräußern. »Ein Verkauf wäre der rechtssicherste und damit auch schnellste Weg, um Investitionen in die Raffinerien zu ermöglichen und so die Standorte zu sichern«, hatte das BMWK erklärt. Rosneft hält noch Anteile an Raffinerien in Baden-Württemberg (24 Prozent) und Bayern (29 Prozent).
Aus der jetzigen Antwort des BMWK auf die Linke-Anfrage geht hervor, dass es für den Fall, dass Rosneft seine Anteile nicht verkauft oder nicht verkauft bekommt, keinen wirklichen Plan gibt. Überhaupt würden erst die »Notwendigkeit und die Optionen für anschließende Maßnahmen des Bundes geprüft«. Die Prüfung sei noch nicht abgeschlossen. Laut dem Linke-Abgeordneten Christian Görke, der die Anfrage am Mittwoch vorstellte, sei mit den anschließenden Maßnahmen eine Verstaatlichung gemeint.
Görke führte aus, dass ein freiwilliger Verkauf der Anteile wohl auch an den künftigen Investitionskosten scheitern könnte. Laut einer Kostenaufstellung der PCK-Raffinerie sei für die Umrüstung auf eine CO2-freie Produktion von Wasserstoff bis Ende 2030 ein Volumen von 15 Milliarden Euro aufzubringen. Langfristig soll Schwedt grünen Wasserstoff produzieren.
»Laut Budesregierung sollen die Anteilseigner die Kosten stemmen«, sagt Görke mit Blick auf die Anfrage. »Die Weiterführung und Transformation der PCK-Raffinerie sind originäre Aufgaben ihrer Anteilseigner«, teilt das BMWK entsprechend in seiner Antwort an die Linke-Gruppe mit. Entsprechende Fragen würden vertraglich unter den Anteilseignern geregelt. Das BMWK unterstützt dazu einzelne Transformationsprojekte am Industriestandort Schwedt aus dem Förderprogramm »Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur«.
»Wenn Schwedt an der Nordsee, im Wahlkreis von Robert Habeck liegen würde, wäre die Raffinerie längst verstaatlicht.«
Christian Görke (Linke)
Bundestagsabgeordneter
Bis 2022 wurde vornehmlich russisches Rohöl über die Druschba-Pipeline nach Schwedt geliefert. Seitdem wird versucht die Produktion aus anderen Bezugsquellen zu sichern. Neben Lieferungen aus Polen und Kasachstan, landen Schiffe am Seehafen Rostock an, von wo aus das Öl über eine Pipeline nach Schwedt gepumpt wird. Größe und Zustand der Pipeline ermöglichen jedoch keinen dauerhaften Betrieb. Deshalb war ursprünglich der Bau einer zweiten Pipeline geplant, geschätzte Kosten 600 Millionen Euro. Das BMWK hatte jedoch stattdessen entschieden, die bisherige Pipeline zu sanieren und dafür 400 Millionen Euro Fördermittel vorgesehen. Die EU prüft seit einem Jahr die Zulässigkeit der Förderung.
»Warum soll ich auch eine steuerliche Förderung einer nicht wasserstofffähigen Röhre stattgeben?«, stellt Christian Görke in den Raum. Auch das PCK hatte seinerzeit die Entscheidungen des BMWK bedauert, da der Bau einer neuen Pipeline aus PCK-Sicht »energiestrategisch eine sinnvolle und nachhaltige Investition für eine gesicherte Versorgung von gesamt Ostdeutschland und eine erfolgreiche Transformation gewesen wäre«.
All diese Umstände lassen Görke daran zweifeln, dass bis zum 10. September ein Käufer für die Rosneft-Anteile gefunden wird. »Die Unsicherheiten sind größer denn je«, sagt der Linke-Politiker. Daher plädiert Die Linke dafür, die Anteile von Rosneft zu enteignen, was Entschädigungszahlungen von einem niedrigen bis mittleren einstelligen Milliardenbetrag mit sich bringen könnte, sagt Görke.
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Der Linke-Politiker spricht von einer niedrigen Prioritätensetzung innerhalb der Bundesregierung: »Wenn Schwedt an der Nordsee, im Wahlkreis von Robert Habeck liegen würde, wäre die Raffinerie längst verstaatlicht.« Görke führt an, dass entsprechende Milliardenbeträge beim Einstieg des Staates in die russischen Energieunternehmen Uniper und Sefe flossen. Zusammen haben beide Darlehen über etwa 23 Milliarden Euro erhalten. Die PCK-Raffinerie erwirtschafte dreistellige Millionenbeträge, sagt Görke. »Man kann damit Geld verdienen.«
Auch mit Blick auf die anstehende Landtagswahl in Brandenburg habe er sich erhofft, dass wenigstens der Kanzler in der Frage rechtzeitig aktiv werde, »um die Kuh vom Eis zu kriegen«. Er spielt auf einen möglichen Wahlerfolg der AfD an und darauf, dass man mit einer absichernden Politik diesen möglicherweise eindämmen könnte. »Da oben ist alles blau«, sagt der Linke-Politiker, dessen Wahlkreis Cottbus 150 Kilometer südlich von Schwedt liegt. Ängste vor einer Reaktion Russlands lässt Görke nicht gelten. Befürchtete Enteignungen deutscher Unternehmen in Russland hätten bei der Enteignung von Uniper und Sefe auch keine Rolle gespielt. Er verweist außerdem auf die geplante Stationierung von Nato-Waffen in Brandenburg.
Die Raffinerie in Schwedt versorgt 95 Prozent von Berlin und Brandenburg mit Kraftstoffen wie Diesel und Benzin sowie Heizöl. Die Fabrik zählt 1200 Beschäftigte.
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