Steinmeier-Rede: Was heißt wir?

Karlen Vesper über Lücken und Inkorrektheiten in einer wohlfeilen präsidialen Rede

Die ursprüngliche Bezeichnung für das 1972 im Volkspark Berlin-Friedrichshain eingeweihte Erinnerungsmal an die während der Eroberung der deutschen Hauptstadt 1945 gefallenen Polen lautete »Denkmal für den gemeinsamen Kampf der polnischen Soldaten und der deutschen Antifaschisten«.
Die ursprüngliche Bezeichnung für das 1972 im Volkspark Berlin-Friedrichshain eingeweihte Erinnerungsmal an die während der Eroberung der deutschen Hauptstadt 1945 gefallenen Polen lautete »Denkmal für den gemeinsamen Kampf der polnischen Soldaten und der deutschen Antifaschisten«.

»Wir dürfen und wir werden nicht vergessen, welch unermessliches Leid wir Deutschen über unser Nachbarland gebracht haben«, betonte Frank-Walter Steinmeier völlig zu Recht am Mittwochabend in Warschau beim Gedenken an den Warschauer Aufstand vor 80 Jahren. Trotzdem könnte man trefflich über das Wir debattieren. Wer ist das – wir? Mitglieder seiner Partei, Sozialdemokraten, auch Kommunisten, aufrechte Demokraten und Christen standen dem polnischen Volk in seinem Kampf gegen die faschistische Okkupation zur Seite, versorgten polnische Zwangsarbeiter im »Reich« heimlich mit Lebensmitteln oder wagten gar mit ihnen gemeinsam an der Werkbank in Rüstungsbetrieben Sabotageakte, waren eine Schicksals- und Solidargemeinschaft in den Konzentrationslagern der Nazis. Der Beispiele hierfür gibt es viele.

Was jedoch vor allem wieder einmal offenbar wurde: Die DDR hat es nie gegeben. Kein präsidiales Wort über den anderen deutschen Staat, in dem nicht jahrzehntelang mit Tschingderassabum grimmig-greise Männer nebst drollig kostümierten Buben und Mädels durch die Städte zogen und krawallig »Rückkehr in alte Heimat« und Rückgabe von nach 1945 kassiertem Hab und Gut forderten. Ein Staat, in dem es kein Ministerium für Vertriebene und Kriegsgeschädigte (sic) gab, an dessen Spitze ein Mann stand, der an einem Massaker an Juden beteiligt war. Ein Staat, der 20 Jahre vor der Anerkennung der Volksrepublik Polen durch die Bundesrepublik Deutschland dies mit der Oder-Neiße-Friedensgrenze tat, polnischen Soldaten, die an der Seite der Roten Armee Berlin befreiten, ein Denkmal setzte, auch Reparationen zahlte ... Und, und, und.

Nun ja, die Reparationszahlungen endeten nach dem 17. Juni 1953, dem originären Unmut der Arbeiter mit ihrem Arbeiterstaat. Auf Moskauer Druck unterzeichneten die polnische Regierung eine offizielle »Verzichtserklärung«, damit die DDR mit dem Wirtschaftswunderland Bundesrepublik konkurrieren könne, so die Hoffnung der Sowjets. Interessanterweise beriefen sich auf eben diese offizielle Stellen der Bundesrepublik nach 1990 (darunter das Auswärtige Amt, dessen oberster Dienstherr Steinmeier einst war), als es galt, polnische Forderungen nach Entschädigung abzuwiegeln. Da erinnerte man sich der DDR.

Wann sind »wir« bereit, auch anständiges, positives Erbe anzunehmen?

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