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Förderaffäre in Sachsen: »Es gibt keine DIN-Norm für Integration«
Von SPD-Ministerin Köpping entlassener Staatssekretär sagt in Untersuchungsausschuss aus
Es war eine kleine und zunächst unzureichend organisierte Truppe, die in Sachsen plötzlich vor einer Herkulesaufgabe stand: Im November 2014 war im CDU-geführten Sozialministerium des Freistaats ein Geschäftsbereich für Gleichstellung und Integration eingerichtet worden, den mit der SPD-Frau Petra Köpping eine eigene Ministerin führte. Ihr Apparat war noch nicht recht arbeitsfähig, als im Jahr 2015 die Flüchtlingszahlen stark stiegen und sich die dringende Aufgabe stellte, die Neuankömmlinge zu integrieren. Köppings Haus bemühte sich, ein Förderprogramm für entsprechend engagierte Sozialverbände und Initiativen zu stricken. »Eine Blaupause«, sagt Sebastian Vogel, »gab es dafür nicht.«
Vogel gehörte von Anfang an zu den engsten Mitarbeitern Köppings. Er leitete zunächst ihren Geschäftsbereich und wurde im Juli 2021 Staatssekretär. Zwei Jahre später wurde er indes in den Ruhestand versetzt. Auslöser war ein Bericht des Rechnungshofes, der die Förderung der sogenannten integrativen Maßnahmen untersucht und dem Ministerium ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt hatte. Die Rede war von einem »in außergewöhnlichem Maße rechtswidrigen Verwaltungshandeln«. Gelder seien »fachlich weitgehend ungesteuert« vergeben und Entscheidungen zugunsten oder zum Nachteil einzelner Antragsteller »stark intransparent« getroffen worden. Die AfD sprach von »Vetternwirtschaft zugunsten der Asylindustrie« und setzte einen Untersuchungsausschuss ein, der Vogel jetzt als Zeuge hörte.
Der 44-Jährige schilderte dabei ein Dilemma. Dem Ministerium sei einerseits an »größtmöglicher Offenheit« gelegen gewesen, wenn es darum ging, welche Art von Projekten unterstützt werden sollten. Man habe »Vielfalt zulassen« wollen, sagte Vogel: »Es gibt ja keine DIN-Norm für Integration.« Andererseits habe das »administrative Folgeprobleme« nach sich gezogen, weil Kriterien fehlten, nach denen Anträge bewertet werden konnten. Die beantragten Summen lagen stets höher als der zur Verfügung stehende Förderbetrag, obwohl dieser allein zwischen 2017 und 2022 von 9,5 auf 15 Millionen Euro erhöht wurde. Die unscharfen Kriterien wiederum hätten eine »rechtssichere Umsetzung erschwert«. Vogel wiederholte eine Formulierung, die Köpping bereits in einer Sondersitzung des Landtags vor knapp einem Jahr nutzte: Man habe »das Richtige gewollt, aber es nicht immer richtig gemacht«. Er fügte hinzu: »Das bedauere ich.«
»Es ging nicht um eine Bevorteilung bestimmter Personen oder Projekte.«
Sebastian Vogel Ex-Staatssekretär
Verantwortung übernahm Vogel insbesondere für die Entscheidung, einen »Graubereich« zu schaffen. Dabei ging es um Projekte, die anhand bestehender Kriterien eigentlich abgelehnt worden wären, die man aber quasi in der Hinterhand behielt für den Fall, dass im Fördertopf doch noch etwas übrig bleibe. Ihm sei bewusst, dass man damit »fälschlicherweise« von der selbst erstellten Richtlinie abgewichen sei, sagte Vogel. Die Konsequenzen habe er zu tragen. Der Ex-Staatssekretär nannte es »bedauerlich«, dass das Ministerium und das »gesamte Themenfeld dadurch in Misskredit geraten« seien.
Vogel betonte allerdings nachdrücklich, die Ministerin sei in entsprechende Entscheidungen »nicht involviert« gewesen. Köpping war durch die Angelegenheit unter Druck geraten. Ein erster Pressebericht über die zu dem Zeitpunkt noch nicht publizierten Vorwürfe des Rechnungshofes erschien wenige Tage bevor die SPD sie zu ihrer Spitzenkandidatin für die Landtagswahl ernannte. Köpping hatte sich für diese Rolle empfohlen mit der Anmerkung, sie sei eine erprobte Krisenmanagerin, weil sie als jeweils zuständige Ministerin die Flüchtlings- und die Coronakrise bewältigt habe. Die Förderaffäre drohte nun auch ihre Kandidatur in eine Krise zu stürzen. Die Sorge ist inzwischen geringer geworden. Im Juni wurde Köpping selbst als Zeugin im Untersuchungsausschuss befragt; neue Vorwürfe wurden dabei nicht laut.
Ihr Ex-Staatssekretär bestritt in seiner Vernehmung den von der AfD immer wieder geäußerten Vorwurf, das Ministerium habe gezielt Geld an politisch nahestehende Vereine und Initiativen verteilt. Die Entscheidungen seien »nicht politisch motiviert« gewesen, es sei auch »nicht um eine Bevorteilung bestimmter Personen oder Projekte gegangen«, erklärte er im Ausschuss.
Durch dessen Arbeit fürchten wiederum Vereine und Initiativen massive Probleme. Dass diese Sorge nicht unberechtigt ist, zeigte sich in der Vernehmung von Martina Glass, Geschäftsführerin des Netzwerks Demokratische Kultur (NDK) in Wurzen, die vor Vogel geladen war. Der AfD-Landtagsabgeordnete André Barth wollte von ihr unter anderem wissen, welche Stadträte Mitglieder des Trägervereins sind, welche Landtagsabgeordneten im Vorfeld der Landtagswahl 2019 bei Veranstaltungen des NDK zu Gast waren, welche Kontakte es ins Rathaus gab und wie der Verein die »politische Willensbildung« in Wurzen beeinflusst habe. Anwalt Björn Elberling, der Rechtsbeistand von Glass, warf Barth vor, sein Fragerecht zu missbrauchen, weil es keinen Bezug zur Förderpraxis gebe. Stattdessen wolle er den Verein ausforschen, um die Erkenntnisse politisch auszuschlachten.
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