Der Westen verliert im Sahel an Terrain

Mali, Niger und Burkina Faso distanzieren sich von einstigen Partnern

Die Allianz der Sahel-Staaten ist weder national noch international isoliert: Zu Russland, Indien und Algerien gibt es gute Beziehungen, zeigt ein Junta-Anhänger in Niger.
Die Allianz der Sahel-Staaten ist weder national noch international isoliert: Zu Russland, Indien und Algerien gibt es gute Beziehungen, zeigt ein Junta-Anhänger in Niger.

Der Termin steht: Die USA werden bis zum 15. September ihre Truppen aus dem westafrikanischen Niger abziehen. Damit folgen sie Frankreich und Deutschland, die der Sahel-Region weitgehend den Rücken kehren, weil es von den Gastgebern Niger, Mali und Burkina Faso verlangt wird. Diese drei aus Putschen hervorgegangene Militärregimes rücken immer weiter zusammen. Zuerst kehrten sie gemeinsam der westafrikanischen Staatengemeinschaft Ecowas den Rücken, Anfang Juli folgte dann mit der Allianz der Sahel-Staaten ein eigenes Staatenbündnis, das über eine Sicherheitspartnerschaft hinausgehen soll.

»Die Gründung der Konföderation ist ein Zeichen der Einheit der drei Militärregierungen und zugleich Ausdruck einer vertieften Kooperation der Länder in der Armuts- und Terrorbekämpfung, im Gesundheitssektor sowie in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit«, sagt Gilles Yabi gegenüber »nd«. »Ziel ist es, eine weitere politische Integration zu gewährleisten und herzustellen. Das ist nichts Verwerfliches und kann für alle drei Länder gegenseitige Vorteile bringen«, meint der Leiter des Thinktanks »Wathi« mit Sitz in der senegalesischen Hauptstadt Dakar.

Westafrika der zwei Geschwindigkeiten

Sorge hingegen bereitet Yabi der Austritt aus der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas. Es sei nicht förderlich für die Region, wenn sich drei Staaten komplett absonderten und so die politische Integrität der Ecowas unterminieren. Die Länder der gesamten Region Westafrikas hätten die gleichen Probleme und sollten sie zusammen lösen. »Der Rückzug aus der Ecowas beunruhigt mich stark. Das schwächt die ohnehin instabile westafrikanische Region weiter«, berichtet Yabi. So könnte es analog zur Europäischen Union womöglich ein Westafrika der zwei Geschwindigkeiten geben. »Das sollte verhindert werden.«

In der Vergangenheit gab es bereits Kooperationen zwischen Mali und Burkina Faso, berichtet Yabi, weiter. Damals gehörten beide Sahel-Staaten jedoch noch als Mitglieder der Ecowas an. Die Ecowas hatte nach den Militärputschen teils heftige Sanktionen gegen die drei ohnehin schon wirtschaftlich schwachen Staaten verhängt. Die Militärs, die zumindest mittelfristig in Mali, Burkina Faso und Niger an der Macht bleiben werden, nahmen die Sanktionen zum Anlass, komplett und »unwiderruflich« aus der Regionalorganisation auszutreten. Die Ecowas ist in Westafrika nicht unumstritten und ihr wird vorgeworfen, unter französischem Diktat zu stehen.

»Die Sanktionsmaßnahmen gegen die verschiedenen Militärregime sind zu dramatisch und treffen hauptsächlich die Zivilbevölkerung«, erklärte der senegalesische Politiker Thierno Alassane Sall gegenüber »nd«. Diese Sanktionen schwächten die Staaten, die Opfer bewaffneter Aufstände sind, und stellten daher eine indirekte Unterstützung dieser Aufstände dar. Sall, der im April dieses Jahres sich ohne großen Erfolg als Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen in seinem Land präsentierte, weiter: »In diesem Zusammenhang ist es auch zu bedauern, dass die Ecowas nichts Wesentliches unternommen hat, um die Maßnahmen der Länder gegen die Aufständischen zu unterstützen und zu koordinieren.«

Yabi ist vor allem beunruhigt darüber, dass die Bevölkerung und die politische Integration darunter leiden. Die Gräben zwischen den herrschenden Militärputschisten und den in anderen Ländern amtierenden gewählten Regierungen seien zwar groß, aber es gehe nicht um eine »Blockbildung«. Es gehe um die »kollektive Zukunft der Region«, nicht um Organisationen.

Politiker Sall lässt kein gutes Haar an der Ecowas. »Alles deutet darauf hin, dass die Hardliner unter den Ecowas-Staatsoberhäuptern mit einer Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage in den drei Staaten rechnen.« In der Hoffnung, dass das die »Allianz der Sahel-Staaten« zum Einlenken und letztlich zur Rückkehr in die Ecowas zwinge, meint Sall. Aus seiner Sicht müsste die neue Konföderation vielmehr als ein Verhandlungsangebot verstanden werden. »Die Ecowas muss Initiativen ergreifen, um aus dieser Krise herauszukommen, ohne dass jemand sein Gesicht verliert«, sagt Sall. Die Ecowas, hingegen, hat sich zu der Sahel-Staaten-Gründung noch nicht endgültig positioniert.

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USA und Deutschland müssen Niger verlassen

Die neue Konföderation will auch eine gemeinsame Investitionsbank und einen »Stabilisierungsfonds« ins Leben rufen. Betont wird darüber hinaus die Notwendigkeit, »strukturierende und integrierende Projekte« in der Landwirtschaft und Ernährungssicherheit, Wasser und Umwelt, Energie und Bergbau, Handel und Industrialisierung, Infrastruktur und Verkehr, Kommunikation und Telekommunikation, Freizügigkeit und Digitalisierung aufzubauen. Die Zeichen stehen also in der Sahel-Region auf subregionale Integration und der Abkehr von westlich-geprägten Institutionen und Organisationen.

Der Abzug der US-Soldaten aus Niger ist da nur folgerichtig. Bereits im Dezember 2023 hatten die letzten französischen Truppen Niger verlassen. Die Bundeswehr konnte ihre kleine Basis am Flughafen vorläufig weiterbetreiben. Doch bis zum 31. August wird Personal und Material nach Deutschland zurückverlegt. Niger exerziert nach, was Mali vorgemacht hat: Dort gaben die Putschisten 2022 den Franzosen den Laufpass und im Jahr darauf der UN-Mission Minusma, an der die Bundeswehr beteiligt war. Mali hat seit 2012 drei Militärputsche erlebt und ist politisch äußerst instabil. Daran hat auch die Minusma seit 2013 nichts geändert.

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