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Sozialarbeit wandert ins Netz
SPD in NRW betrachtet bayerisches »Digital Streetwork«-Projekt als Vorbild
Bereits vor der Pandemie, aber besonders seitdem, haben viele soziale Einrichtungen ihre Angebote ins Netz verlagert. Die Möglichkeit der Beratung und vor allem die Erreichbarkeit über soziale Medien sei entscheidend, da auf diesem Wege auch Personen angesprochen würden, die sonst keine Beratungsstelle aufsuchen würden, heißt es etwa vom Sozialdienst katholischer Frauen und Männer (SKFM) Düsseldorf. Der SKFM bietet in NRW digitale Beratung an. Auch der Landtag in NRW befasste sich zuletzt mit »Digital Streetwork«. Die Zahl psychischer Krankheiten und Nöte unter Jugendlichen steigt in NRW seit Jahren.
Die Solinger Organisation »Between The Lines« ist ein zweiter prominenter Anbieter in diesem immer bedeutender werdenden Bereich. Genauer gesagt: Die dahinter stehende anonyme und kostenfreie App. »Die App deckt 37 Themenbereiche ab, darunter etwa Depression, Einsamkeit und Essstörung«, sagt Klara Honsl von »Between the Lines« gegenüber »nd«. Für jedes Thema gebe es eine Seite mit Selbsthilfetipps, die einfach umgesetzt werden könnten. Zusätzlich werden Hilfsangebote aufgezeigt – sowohl Therapiemöglichkeiten als auch Beratungsstellen in Partnerstädten wie in Düsseldorf, Stuttgart und Leipzig.
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Es geht bei der App, die erstmals 2017 »live« ging, ausschließlich um Beratung. »Wir vernetzen die jungen Menschen von 12 bis 21 Jahren mit den deutschlandweiten Telefon- und Onlineberatungen. Des Weiteren bieten wir ihnen eine Mediathek mit recherchierten Videos und Podcasts von Expert*innen und vor allem Betroffenen, in denen sich die jungen Menschen wiedererkennen und verstanden fühlen können«, erklärt Honsl. In der App sind Sozialarbeiter*innen also nicht im direkten Austausch mit den Jugendlichen: »Wir kommunizieren auf den Social-Media-Kanälen zwar mit den jungen Menschen, aber haben keine beratende Tätigkeit gegenüber den Jugendlichen. Wir verweisen sie auf bewährte Anbieter wie Krisenchat, Jugendnotmail oder andere«, sagt Honsl.
Jugendliche lernen mit der App etwa, wie man sich telefonisch bei einer Beratung meldet, und es gibt auch eine E-Mail-Vorlage. »So können die jungen Menschen niedrigschwellig und ohne großen weiteren Aufwand ihr Angebot finden und den ersten Schritt machen. Die Selbsthilfetipps sind verständlich formuliert«, ordnet Honsl ein. Jeden Monat nutzen eigenen Angaben zufolge knapp 4000 Jugendliche die Angebote der App. Über die sozialen Medien sollen monatlich etwa 400 000 Jugendliche erreicht werden. Derzeit werde zudem eine zusätzliche Plattform entwickelt, auf der sich junge Menschen im geschützten Rahmen datenschutzkonform austauschen können.
Digitale Beratung in Krisensituation bietet auch SKFM in Düsseldorf seit 2017 an. Der Sozialdienst verfährt hier anders als »Between the Lines«. Denn über schriftliche, oft kurze Texte kommunizieren digitale Sozialarbeiter mit den Jugendlichen direkt auf sozialen Netzwerken. Die Rückmeldung seien positiv, heißt es. Zwar haben Präventionsprogramme im digitalen Raum sicherlich eine größere Reichweite als rein analoge Angebote, dennoch gibt es auch die Grenzen der digitalen Beratung. Wenn es etwa um kontinuierliche und verlässliche Beziehungsarbeit geht, kann das Internet ein Hindernis sein.
Die SPD im NRW-Landtag, die eine Anhörung zum Thema digitale Sozialarbeit einberufen hatte, verweist indes auf das bayerische Projekt »Digital Streetwork Bayern« als mögliches Vorbild. Im Freistaat stehen 14 Streetworker auf Plattformen wie Discord, Instagram, Twitch, Whatsapp, Tiktok und Reddit für die Belange von Jugendlichen bereit. Auswertungen zeigen laut Medienberichten, dass das Team inzwischen etwa 11 000 junge Menschen erreicht hat, daraus resultierten rund 6300 Beratungsgespräche. In etwa 420 Fällen konnten die Jugendlichen an Fachstellen weitervermittelt werden.
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