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Aufklärung vom Boxverband IBA endet im Chaos
IBA hält an umstrittenen Aussagen zu angefeindeten Boxerinnen Khelif und Lin fest
Diese Pressekonferenz dürfte in die olympische Geschichte eingehen. Der seit 2019 vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) wegen Korruption suspendierte Weltboxverband (IBA) hatte in einen Pariser Ballsaal geladen, um den Fall der beiden Boxerinnen Imane Khelif aus Algerien und Lin Yu-ting aus Taiwan aufzuklären. Übrig blieb nur Chaos.
Zunächst wurden die Journalisten im voll besetzten Raum mehr als eine Stunde warten gelassen. Als der online zugeschaltete IBA-Präsident Imar Kremlew schließlich aus Russland sein Statement abgeben wollte, war er nicht zu hören. Und die Peinlichkeiten gingen weiter: Journalisten rissen sich das Mikrofon aus den Händen, Dolmetscher waren nicht zu verstehen. Am Ende widersprachen IBA-Generalsekretär Chris Roberts und sein Präsident einander. Ein Verband, der sich als einzig wichtige Stimme im Boxen darstellen wollte, versagte mal wieder kläglich.
Khelif und Lin stehen in den olympischen Halbfinals, haben Medaillen schon sicher. Die IBA hatte sie bei der WM 2023 wegen nicht bestandener Geschlechtstests disqualifiziert, bei Olympia aber dürfen sie starten, da das IOC die Beweislage als unzureichend betrachtet. Diese Skepsis ist seit Montagmittag verständlicher geworden. Da war zunächst Kremlew, der mal wieder IOC-Präsident Thomas Bach persönlich angriff und eine halbe Stunde lang eher schwurbelte als aufklären konnte. Ihm ginge es nur darum, »echte« Frauen zu beschützen: »Heute zerstören wir den Frauensport. Aber ich bin hier, um das zu verhindern.« Donald Trump hätte es kaum überheblicher ausdrücken können.
Roberts erklärte, gegnerische Trainer und Sportlerinnen hätten Geschlechtstests bei Khelif und Lin verlangt, da sie männlich wirkten. Erste Tests 2022 in Istanbul seien noch uneindeutig ausgefallen. Im März 2023 zeigten dann neue Resultate »Chromosomen, die eine Teilnahme beider Boxer ausschließen« würden. Mehr dürfe man aus Persönlichkeitsrechten nicht veröffentlichen, so Roberts. Wenige Minuten später warf Kremlew dann doch beiden Boxerinnen vor, männliche Chromosomen und erhöhte Testosteronwerte zu besitzen.
Schließlich fuhr die IBA ihren langjährigen medizinischen Direktor Ioannis Filippatos auf, der seit 30 Jahren als Chirurg und Gynäkologe praktiziere: »Ich habe 5000 Operationen durchgeführt. Ich weiß, wer eine Frau ist«, behauptete er. Und ein genetischer XY-Karyotyp sei nun mal eindeutig männlich. Von XY-Frauen, die anatomisch trotzdem weiblich sein können, hat er offenbar noch nie gehört. Auch aus diesem Grund führt außer der IBA aber kein Verband mehr derlei Gentests durch. Auch Testosteronwerte allein sind kein eindeutiges Indiz für körperliche Vorteile, die Khelif und Lin bis heute nicht nachgewiesen wurden. Es gibt keine Berichte über ernsthaft verletzte Gegnerinnen der zwei. Bezwungen wurden sie ebenfalls schon.
Nur drei Dinge sind nun geklärt: Die IBA nutzt umstrittene Tests, sie hat einen selbstverliebten Präsidenten und mit Kompetenz glänzt sie auch auf anderen Ebenen nicht. Das IOC dürfte diese Boxshow genossen haben.
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