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Systemversicherung: Bald unbezahlbar?

Lasse Thiele über die Versicherungsindustrie in Zeiten der Klimakrise

Hochwasser in Bayern
Hochwasser in Bayern

Als im Frühsommer wieder weite Teile Süddeutschlands unter Wasser standen, begannen die üblichen Diskussionen darum, wer den Wiederaufbau bezahlt, welche Schäden versichert waren, ob der Staat einspringt, was und wo wiederaufgebaut wird. Braucht es nun eine Versicherungspflicht für Elementarschäden oder eine Angebotspflicht? Anderswo ziehen sich Versicherungen längst aus Extremwetter-Risikomärkten zurück: In Florida etwa bieten die meisten Unternehmen gar keine Gebäudeversicherungen mehr an. Wer hier jetzt noch hinzieht, so die Botschaft, ist selbst schuld.

Schließlich nimmt die Klimakrise Fahrt auf. US-Behörden verzeichnen seit Jahren – inflationsbereinigt – einen drastischen Anstieg der »billion-dollar disaster events«, also von Katastrophenereignissen, die mindestens eine Milliarde US-Dollar kosten. Steigende Schadenssummen sind dabei natürlich auch eine Funktion des Wirtschaftswachstums, doch der Klimaeffekt ist deutlich ablesbar. Rückversicherer verzeichnen weltweit einen deutlichen Anstieg an Extremwetterschäden.

Lasse Thiele

Lasse Thiele arbeitet im Konzeptwerk Neue Ökonomie am Thema Klimagerechtigkeit.

In Deutschland sind die Zahlen bislang weniger dramatisch. Doch global liefert die Versicherungsindustrie Anhaltspunkte für eine große Frage unserer Zeit: Bedeutet die Klimakrise eine existenzielle Bedrohung für den Kapitalismus? Individuelle Risiken zu verteilen und damit die Ökonomie zu stabilisieren ist schließlich die Kernfunktion der Branche. Insbesondere die global agierenden Rückversicherer bilden damit das Rückgrat der kapitalistischen Weltwirtschaft – quasi die Systemversicherung. Wo Schadensfälle zunehmen, steigen die Versicherungsprämien. Hier lässt sich direkt beobachten, wie ein wachsender Teil des erwirtschafteten Mehrwerts quer durch die Ökonomie in die immer teurere Reparatur des Status Quo abfließt und damit weniger für Nettoinvestitionen übrig bleibt. Wenngleich Wiederaufbauarbeiten den Infrastrukturbestand tendenziell auch modernisieren, verlangsamen die steigenden Kosten insgesamt die Akkumulation und damit das Wachstum. Können sich mittelfristige Klima-Kipppunkte so auch in ökonomische Kipppunkte übersetzen?

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Die widersprüchliche Position der Versicherungsbranche selbst verdeutlicht die Dilemmata des »grünen« Kapitalismus: Einerseits ist sie von den jetzt schon immer schwerer kalkulierbaren klimabedingten Risiken und sich auftürmenden Schadenssummen stark betroffen. Sie kann mit ihren Reaktionen beeinflussen, wie klimaschädlich und wie individuell riskant sich andere verhalten können, wenn sie etwa fossile Industrien oder Neubauten in flutgefährdeten Zonen nicht mehr versichert. Doch während die Versicherungsindustrie so bisweilen zur Schlüsselbranche für eine grüne Transformation hochgejubelt wird, bleibt sie als riesige Anlegerin an den Finanzmärkten auf Rendite angewiesen – umso mehr angesichts steigender Schadensrisiken. Dazu investiert sie die eingespielten Prämien ironischerweise allzu oft in fossile Geschäfte und provoziert so immer größere Schäden.

Wie lange kann das funktionieren? Scheinbar dröge Fragen der politischen Regulierung des Versicherungswesens und des Umgangs mit »Marktversagen« erhalten so in der Klimakrise immer stärkere systemische Tragweite.

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