- Politik
- Automobilbranche
Mitbestimmt gegen die Autokrise
Vor der Landtagswahl in Sachsen fordert Die Linke staatliche Eingriffe zur Absicherung von Arbeitsplätzen
»Die deutsche Automobilindustrie steht vor einer großen Transformation und die Regierung darf sich nicht wegducken«, sagte Janine Wissler, Vorsitzende der Partei Die Linke, am Montag bei der Vorstellung eines neuen Papiers zur Sicherung von Arbeitsplätzen in der Branche. Darin fordert die Partei im Vorfeld der Landtagswahlen in Sachsen umfassende Investitionen und mehr Einfluss der Beschäftigten auf Investitions- und Produktionsfragen sowie staatliche Jobgarantien in der deutschen Automobil- und Zuliefererindustrie. In der Branche arbeiteten im Jahr 2023 rund 780 000 Beschäftigte.
Hintergrund des Papiers sind die derzeitige Flaute auf dem Markt für Elektrofahrzeuge und drohende Standortverlagerungen. Während die Branche im letzten Jahr laut Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums Umsatzsteigerungen von rund elf Prozent gegenüber dem Vorjahr verbuchen konnte, hat sich das Bild mittlerweile eingetrübt. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres lag die Anzahl der Neuzulassungen in Deutschland im Elektrobereich bei etwa 184 000 Fahrzeugen. Das sind 40 000 weniger als im Vorjahreszeitraum, wie aus Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts hervorgeht. Laut Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo handelt es sich um eine handfeste Krise.
Grund dafür ist unter anderem der Wettbewerbsdruck vonseiten chinesischer Autobauer, die mit meist günstigeren Modellen punkten können. Darauf hatte die EU-Kommission zuletzt mit Strafzöllen reagiert. Laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sollen so unfaire Subventionen für die chinesischen Firmen ausgeglichen werden.
Doch die Maßnahme ist umstritten. Strafzölle seien kein geeignetes Mittel für den Schutz der Branche, kritisierte etwa Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA). Die Linke verweist in ihrem Papier darauf, dass es auch in Deutschland umfassende Subventionen für die Konzerne gibt. Zudem würde ein Handelskrieg auch die hiesigen Hersteller belasten, heißt es.
Zuletzt wurden mit Blick auf die sinkende Nachfrage nach E-Fahrzeugen auch Überkapazitäten der Hersteller deutlich, primär im Bereich der großen E-Autos im höheren Preissegment, sogenannte SUVs. Vor dem Hintergrund kündigte etwa Audi an, seinen Standort in Brüssel mit rund 4000 Beschäftigten umstrukturieren zu wollen. Seit Juli stehen in dem Werk die Bänder still. Auch der Mutterkonzern Volkswagen hat in Wolfsburg, Emden und Zwickau die vergleichsweisen teuren Nachtschichten gestrichen. Die Linke spricht diesbezüglich von einem »Versagen der Eigentümer und Manager« und fordert »kleine und vor allem bezahlbare E-Autos«.
Zu spüren bekommen das auch die vorgelagerten Zuliefererbetriebe in Sachsen. Darum sollten Teile der Produktion auf die Herstellung von Zügen, Straßenbahnen und Bussen für die Verkehrswende umgestellt werden, fordert Stefan Nagel, Bandarbeiter in der Automobilindustrie sowie Mitglied des Landesvorstandes der Linken. Er verwies auf den Zulieferer GKN in Zwickau, dessen Produktion in den kommenden Jahren nach Ungarn verlagert wird. »Wer Gelenkwellen für die Automobilindustrie herstellen kann, kann auch Wellen für Schienenfahrzeuge herstellen«, sagte er und forderte von der Bundesregierung, sie solle notfalls mittels Vergesellschaftung eingreifen. So könnten Standortschließungen verhindert und für die ökologische Transformation notwendige Produkte hergestellt werden, ist Nagel überzeugt.
Dazu bedürfe es aber einer verbindlichen Transformationsstrategie, auch um für die Unternehmen Klarheit zu schaffen. Es bedürfe einer Planung von Produktionsprozessen, »damit Erwartungen in ökonomisches Handeln übersetzt werden können«, sagte Stefan Hartmann, Landesvorsitzender der Partei und Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Sachsen. »Es braucht eine klare industrielle Strategie.«
Die aber werde derzeit untergraben, indem etwa das Verbrenner-Aus seitens der Unionsparteien und der FDP infrage gestellt werde. »Die Bundesregierung muss zusammen mit den Belegschaften, Gewerkschaften, Wissenschaft, Umwelt- und Sozialverbänden einen verbindlichen Zukunftsplan entwickeln«, fordert Die Linke.
Und sie müsse Geld in die Hand nehmen, um die Unternehmen bei der Umstellung ihrer Produktion zu unterstützen. Auf nd-Nachfrage erklärte Parteivorsitzende Wissler, dass dafür Mittel aus dem Klimatransformationsfonds verwendet werden sollten, der mit rund 20 Milliarden Euro ausgestattet ist. »Das wäre zwar nicht ausreichend, aber es wäre ein Anfang«, merkt sie an. Wie viel Geld konkret in die Automobilbranche fließen soll, geht aus dem Papier vom Montag allerdings nicht hervor.
Zudem will die Partei die Vergabe von öffentlichen Mitteln an Bedingungen wie mehr Mitbestimmungsrechte bei strategischen Unternehmensentscheidungen knüpfen. Betriebsräte sollen ein Vorschlagsrecht für neue Produkte bekommen und regionale Transformationsräte sollten in die Entscheidungen einbezogen werden. »Wir wollen eine demokratische Transformation«, betonte Wissler. Zudem müssten ökologische Standards gewahrt, Arbeitsplätze durch eine sogenannte Jobgarantie erhalten sowie Tarifverträge gestärkt werden.
Zu Letzterem hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag eine gesetzliche Regelung angekündigt. Die lässt aber auf sich warten. »Der Entwurf für die Bundestariftreueregelung wird derzeit innerhalb der Bundesregierung abgestimmt«, teilte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums auf nd-Anfrage mit.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.