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Lufthansa: Gewerkschaften im Clinch
Bei Konzerntochter Discover tobt ein Machtkampf um den Vertretungsanspruch
Der Frust über die Vereinbarung der Lufthansa-Tochter Discover Airlines mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ist am Mittwoch deutlich zu vernehmen. »Etwas Vergleichbares habe ich noch nicht erlebt«, kritisiert Harry Jaeger von der Fachgewerkschaft Unabhängige Flugbegleiter Organisation (Ufo) auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit der Vereinigung Cockpit (VC). Die Verbände sehen ihren Vertretungsanspruch in der Lufthansa-Gruppe infrage gestellt und kündigten Aktionen an.
Hintergrund ist ein Tarifvertrag, den Verdi in der vergangenen Woche überraschend bei Discover abgeschlossen hat. Noch während die Verhandlungen mit Ufo und VC liefen, habe das Management eine Einigung mit Verdi verkündet. »Die Verhandlungen mit uns waren nur für die Galerie«, sagt Jaeger.
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Laut Fachverbänden fehlt Verdi die Legitimität für den Abschluss, da die Gewerkschaft deutlich weniger Mitglieder unter den rund 1900 Beschäftigten habe. »Der Arbeitgeber entscheidet sich für eine de facto mitgliedslose Gewerkschaft. Unsere Vermutung ist, dass Verdi unterm Strich der bequemere Tarifpartner ist«, erklärt Jaeger. Bei einer Versammlung von Verdi zur Wahl der Tarifkommission seien nur sieben Mitglieder anwesend gewesen. Man selbst erreiche teilweise dreistellige Zahlen.
Dem widerspricht Marvin Reschinsky, Verdi-Konzernbetreuer bei der Lufthansa, im Gespräch mit »nd«. Im Laufe der Versammlung seien mehr Mitglieder dazugestoßen, entgegnet er. Die Mitgliederzahl im Betrieb wollte er nicht kommentieren, »sie liegt aber deutlich höher«, bekräftigt er. Es sei nicht ungewöhnlich, dass nur ein kleiner Teil der Mitglieder an den Versammlungen teilnehme, vor allem im Schichtbetrieb. »Es ist darum auch unrealistisch, so viele Mitglieder anwesend zu haben, wie von den anderen behauptet«, betont Reschinsky.
Er wirft den beiden Fachgewerkschaften vor, einen Machtkampf zu führen, der den Beschäftigten schade. »Der jetzige Konflikt zeigt, dass es beiden nicht darum geht, mehr für die Beschäftigten zu erreichen, sondern Macht und Bedeutung im Konzern abzusichern«, sagt Reschinsky. Die Dienstleistungsgewerkschaft vertrete seit Jahren erfolgreich fliegendes Personal in- und außerhalb des Lufthansa-Konzerns. »In diesem Bereich ist Verdi inzwischen deutschlandweit die größte Gewerkschaft«, unterstreicht er.
Der neue Tarifvertrag sieht Gehaltssteigerungen für das Cockpit- und Kabinenpersonal von bis zu 38 Prozent vor. Auch Zulagen und Sonderzahlungen sind vereinbart, ebenso wie eine betriebliche Altersvorsorge, Dienstpläne oder Krankengeldzuschüsse. »Der Abschluss liegt nachweislich über den Forderungen von VC und Ufo«, betont Reschinsky. »Deshalb erleben wir seit Tagen eine Eintrittswelle«, unterstreicht er.
Das dürfte auch mit einem Bonus für Verdi-Mitglieder zusammenhängen. Darunter fallen ein weiteres halbes Monatsgehalt und ein besonderer Kündigungsschutz. Zugeständnisse musste Verdi auch machen, etwa in Form einer Schlichtungsvereinbarung und einer Laufzeit von drei Jahren.
Für Verdi ist der Abschluss dennoch ein Erfolg. Im Konzern ist die Gewerkschaft laut der Deutschen Presse-Agentur vorrangig beim Bodenpersonal und in den Eurowings-Kabinen vertreten. Einen Tarifvertrag für Piloten gibt es nur bei Aerologic.
Ufo und VC wollen ihre Kräfte bündeln und planen unter ihren Mitgliedern eine Urabstimmung über das Vorgehen, die bis kommenden Mittwoch laufen soll. Auch Streiks für einen eigenen Tarifabschluss seien möglich. Dann könnte das Tarifeinheitsgesetz über den Streit entscheiden. Demnach darf einzig die mitgliederstärkste Gewerkschaft Tarifverträge abschließen.
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