Polen bestätigt Haftbefehl wegen Anschlags auf Ostseepipeline

Zwei Jahre nach den Explosionen an den Nord-Stream-Leitungen hat Bundesanwaltschaft Haftbefehl nach Polen geschickt. Verdächtiger konnte entkommen

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Die deutschen Ermittlungen nach dem Anschlag auf die Nord-Stream-Gasleitungen am 26. September 2022 verlaufen schleppend.
Die deutschen Ermittlungen nach dem Anschlag auf die Nord-Stream-Gasleitungen am 26. September 2022 verlaufen schleppend.

Die polnischen Behörden haben einen Europäischen Haftbefehl gegen einen Ukrainer wegen des Verdachts der Beteiligung an den Anschlägen auf die Nord-Stream-Erdgasleitungen nicht vollstreckt. Dieser lag der Generalstaatsanwaltschaft in Warschau bereits seit Juni vor. Das ergab eine Recherche eines deutschen Medienverbundes, deren Ergebnisse am Mittwoch veröffentlicht wurden.

Eine Sprecherin der polnischen Generalstaatsanwaltschaft bestätigte am Mittwoch gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, man habe von der deutschen Bundesanwaltschaft einen Europäischen Haftbefehl erhalten. Aus verschiedenen Gründen habe man des Verdächtigen aber nicht habhaft werden können.

Bei dem Verdächtigen handelt es sich laut Medienbericht um Wolodymyr Z., einen ukrainischen Staatsbürger, der sich zuletzt in Polen aufhielt. Die Ermittler hätten ihn jedoch an seinem Wohnort nicht angetroffen, sagte die Behördensprecherin weiter. »Der Mann hat Anfang Juli die Grenze zwischen Polen und der Ukraine überquert.«

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Möglich sei dies gewesen, weil von deutscher Seite kein Eintrag in das Schengen-Register erfolgt sei, in dem die mit Europäischem Haftbefehl Gesuchten geführt werden. »Wolodymyr Z. hat die polnisch-ukrainische Grenze überquert, bevor es zur Festnahme kam, und der polnische Grenzschutz hatte weder die Informationen noch die Grundlage, um ihn festzunehmen, da er nicht als Gesuchter aufgelistet war«, sagte die Sprecherin.

Zuvor hatten »Die Zeit«, die ARD und die »Süddeutsche Zeitung« berichtet, dass der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof in dem Sabotagefall einen Haftbefehl erwirkt hatte. »Wir kommentieren die Medienberichte nicht«, sagte dazu eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums.

Die Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 wurden am 26. September 2022 durch mehrere Sprengungen beschädigt und unterbrochen. Die Explosionen wurden in der Nähe der dänischen Ostsee-Insel Bornholm registriert und wenig später vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen entdeckt. Durch Nord Stream 1 floss zuvor russisches Erdgas nach Deutschland. Nord Stream 2 war wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der folgenden politischen Streitigkeiten noch nicht in Betrieb.

Die Behörden mehrerer Länder hatten danach offiziell Ermittlungen in dem Fall aufgenommen. Dänemark und Schweden haben die Verfahren allerdings bereits wieder eingestellt. Zu den Tätern und ihren Auftraggebern kursieren mehrere Vermutungen.

Nach Recherchen der drei Medien stehen auch zwei weitere ukrainische Staatsangehörige unter Tatverdacht, darunter eine Frau. Den Berichten zufolge sollen sie an den Anschlägen beteiligt gewesen sein. Sie könnten als Taucher die Sprengsätze an den Pipelines angebracht haben, hieß es weiter. Die nun veröffentlichten Informationen stützen sich unter anderem auf Hinweise eines »ausländischen Nachrichtendienstes«.

Bisherige Ermittlungen hatten eine Segeljacht im Visier, auf der im Juli 2023 Sprengstoffspuren entdeckt worden waren. Es wurde vermutet, dass die »Andromeda« möglicherweise zum Transport des Sprengstoffs für die Sabotage zum Einsatz kam.

Der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Wolfgang Büchner, betonte am Mittwoch auf Nachfrage von Journalisten in Berlin, die Ermittlungen zu den Anschlägen hätten keinen Einfluss darauf, ob und in welchem Umfang Deutschland die Ukraine auch in Zukunft unterstützen werde. Es bleibe generell bei der militärischen, wirtschaftlichen und finanziellen Hilfe. Denn die Anschläge änderten »nichts an der Tatsache, dass Russland einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt«, so Büchner.

Die Aufklärung des Sabotageaktes habe für die Bundesregierung zugleich »höchste Priorität«, sagte der Vize-Regierungssprecher. Ob die polnischen Behörden dabei ausreichend kooperieren, wollte er nicht bewerten. dpa/nd

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