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Afghanistan: »Ich bin geblieben, weil ich keine Wahl hatte«

Viele Gebildete verlassen Afghanistan, andere haben nicht die Möglichkeit dazu

  • Interview: Emran Feroz
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Wissenschaftlerin und Frauenrechtsaktivistin Naveen Hashim hat wie so viele seit der Machtübernahme der Taliban Afghanistan verlassen.
Die Wissenschaftlerin und Frauenrechtsaktivistin Naveen Hashim hat wie so viele seit der Machtübernahme der Taliban Afghanistan verlassen.

Aus Afghanistan wandern viele gut Ausgebildete seit der Rückkehr der Taliban aus. Warum ist das so und weshalb halten Sie sich dennoch weiterhin im Land auf?

Im August 2021 ist das republikanische System zerfallen. Es hatte viele Lücken wie Korruption, die Macht der Warlords. Aber es hatte der Bevölkerung auch einige demokratische Freiheiten gegeben, die zumindest in Teilen einen Diskurs und Dinge wie Presse- und Meinungsfreiheit ermöglichten. Davon ist nichts mehr übrig geblieben. Die Taliban haben eine Diktatur errichtet und weiten diese täglich aus. Natürlich hat die gebildete Schicht dann kein Interesse zu bleiben und versucht ihr Glück anderswo. Ich bin geblieben, weil ich keine andere Wahl hatte. Bis jetzt hat mich kein anderer Staat aufgenommen. Viele meiner Kollegen und Freunde wurden evakuiert, ich nicht.

Inwiefern betreffen die Repressalien Ihren persönlichen Alltag?

Als Schriftsteller und Journalist kann ich mich nicht mehr frei äußern. Meinen Fernsehsender gibt es nicht mehr, weil nach dem Abzug des Westens die ausländischen Gelder wegfielen, die für die Finanzierung notwendig waren. Ich bin ein Säkularist und liberaler Demokrat. Unter den Taliban wird das nicht gerne gesehen. Es gab auch Drohungen. Ich halte mich lieber bedeckt. Nur so kann ich mich und meine Familie schützen.

Interview

A. lebt und versteckt sich weiterhin in Kabul, weshalb er anonym bleiben will. Der Klarname ist der Redaktion bekannt.

Wie gehen die Taliban gegen Presse- und Meinungsfreiheit vor?

Alle TV-Sender, die noch laufen, müssen ihre Inhalte mit den Taliban abstimmen. Sie sind sehr pressefeindlich und meinen, dass viele Medien sie aufgrund einer westlichen Agenda in den vergangenen 20 Jahren verteufelt und Lügen verbreitet hätten. Die Anzahl von Journalistinnen und Moderatorinnen hat rapide abgenommen, was nicht überraschend ist. Hier wird auch eine misogyne Politik durchgesetzt. Es gibt kaum noch Frauen, die die Nachrichten ansagen. Und falls doch, dann unter strengen Verhüllungsvorschriften. Alles, was von der Meinung der Taliban und deren Rechts- und Religionsverständnis abweicht, wird nicht geduldet und zensiert. Das betrifft auch Online-Inhalte und Bücher.

Kurz nach der Machtübernahme war das aber nicht so. Manche hatten den Eindruck, dass die Taliban moderater und vernünftiger geworden seien ...

Das war falsch. Ein diktatorisches System wie das ihrige geht langsam und gezielt vor, um systematisch alle Lebensbereiche zu unterwandern. So war es auch im Iran nach der sogenannten islamischen Revolution. Es hat Zeit gebraucht, bis die Systematik der Mullah-Diktatur da war. Dasselbe ist in Afghanistan der Fall.

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Wie waren Ihre eigenen Kontakte mit den Taliban seit deren Rückkehr?

Ich wurde manchmal aufgesucht und befragt. Das nahm dann schnell wieder ab. Dann gab es anonyme Drohungen und Anschlagsversuche. 2022 wurde auf mein Fenster geschossen. Ob das die Taliban waren? Wahrscheinlich, aber ich habe keine Beweise. Viele dieser sogenannten Gotteskrieger tun mir leid, vor allem die Jüngeren. Die haben nur den Krieg erlebt. Sie erzählten mir, wie sie von US-Jets bombardiert wurden und ihre Familien verloren. Heute weiß ich, dass auch das sie radikalisiert hat – und dass dies von der gebildeten Schicht in Kabul viel zu lange ignoriert wurde.

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