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Bahnhof Schöneweide: Etappenziel nach 20 Jahren

Ab Samstag wird Umsteigen in Schöneweide bequem

Die Odyssee hat ein Ende: In Schöneweide eröffnet der langersehnte Umsteigeknoten.
Die Odyssee hat ein Ende: In Schöneweide eröffnet der langersehnte Umsteigeknoten.

Bei Gluthitze wuseln Dutzende Menschen am Mittwoch auf dem Gelände der Straßenbahn- und Busendhaltestelle vor dem Bahnhof Schöneweide herum, während eine einsame Straßenbahn auf der komplizierten Gleisanlage mit ihren vielen Weichen, Pausengleisen und Haltestellenbereichen rangiert.

Mal dreht der Zug relativ zügig eine Runde in der Schleifenanlage, mal bleibt er stehen. Dann versammelt sich eine kleine Schar in orangener Warnkleidung um ein Signal, eine Weiche oder einen Schaltkasten und bespricht sich. Mal legt die Bahn auch den Rückwärtsgang ein, mal steigt die Fahrerin mit einem langen Stelleisen bewaffnet aus, um eine Weiche von Hand zu stellen.

Es ist das erste Mal seit etwas über zwei Jahren, dass auf der Anlage auf der Johannisthaler Seite des Bahnhofs überhaupt wieder eine Straßenbahn fährt. Fast ein Jahr fuhren rund um den gesamten Bahnhof Schöneweide nur noch Ersatzbusse. Am Samstag um 5.02 Uhr soll die erste Linienfahrt wieder den Knotenpunkt erreichen. Es ist eine am Betriebshof Marzahn einsetzende M17 nach Adlershof.

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Damit ist einer der größten Umsteigeknoten Berlins wieder mit kurzen Wegen nutzbar. Jeweils sechs S-Bahn und Tramlinien, zehn Buslinien und zwei Regionalbahnlinien treffen hier aufeinander. Die Senatsverkehrsverwaltung rechnet für das Jahr 2030 mit über 130 000 Menschen, die hier täglich ein-, aus- oder umsteigen werden.

Die größte Neuerung für die Straßenbahn ist der neue Durchstich unter dem Bahndamm in Verlängerung der Brückenstraße. Die Linien aus Richtung Oberschöneweide fahren keine Ehrenrunde um den Bahnhof mehr, sondern erreichen direkt die große Haltestellenanlage. Die Gleise an der Michael-Brückner-Straße und unter den Bahnbrücken am Sterndamm sind stillgelegt. Auch die Buslinie 160 wird durch den neuen Tunnel geführt.

Auch die Schleifenanlage ist komplett neu gestaltet worden. Nun können Züge aus allen Richtungen dort wenden. 1,6 Kilometer neue Gleise mit zehn Weichen wurden dafür verlegt, 57 neue Oberleitungsmasten gesetzt, 2,2 Kilometer Fahrdraht gespannt und acht Haltestellenpositionen neu gebaut. 326 Tram- und 558 Busfahrten sollen täglich durch die Schleife führen.

Laut BVG soll die neue Unterführung rund 24 Millionen Euro kosten, der Rest etwa 26 Millionen Euro. Ob die Angaben nicht bereits von der Realität rasant steigender Baukosten überholt worden sind, ist nicht ganz klar. Laut Informationen von »nd« ist intern ein Kostenrahmen bis 80 Millionen Euro freigegeben. Etwas über zwei Jahre haben die Arbeiten gedauert.

Eine Feierlichkeit ist für den Samstag allerdings nicht geplant. »Unser Fokus lag ausschließlich darauf, die Inbetriebnahme der modernisierten Bus- und Gleisschleife vorzubereiten, sodass noch in den Sommerferien der dortige Linienverkehr wieder aufgenommen werden kann«, sagt BVG-Sprecher Nils Kremmin zu »nd«. Bis unmittelbar vor Betriebsbeginn fänden technische Abnahmen statt, die die Planung einer größeren Öffentlichkeitsveranstaltung nicht möglich gemacht hätten. »Für die Fahrgäste und die Anwohnenden ist als Dankeschön allerdings eine kleine Aufmerksamkeit geplant«, verspricht er.

Mit der Inbetriebnahme der neuen Schleife gehen auch wieder die Straßenbahnstrecken Richtung Tierpark, Adlershof und zur Haeckelstraße in Johannisthal wieder in Betrieb. Und obwohl auch an Letzterer viel gebaut worden ist, sind die Haltestellen nicht barrierefrei geworden. Nach nd-Informationen war geplant worden, alle Haltstellen barrierefrei zu gestalten, wenn die Verlängerung der Straßenbahn-Neubaustrecke Richtung Gropiusstadt fertig ist. Da sich deren Fertigstellung verzögert, wird sich auch die Barrierefreiheit verschieben. Derzeit wird von einer Inbetriebnahme frühestens im Jahr 2029 ausgegangen.

Nicht rechtzeitig fertig geworden ist das neue Pausenheim für die Fahrerinnen und Fahrer der BVG. »Durch umfangreiche Anpassungen in der Bauplanung wird mit dem Bau des Pausenheims voraussichtlich Ende des kommenden Jahres begonnen«, kündigt Nils Kremmin an. Bis dahin muss das Personal mit Pausen-Containern »mit voll ausgestatteten Aufenthaltsräumen« vorliebnehmen.

Die sogenannte »Verkehrslösung Schöneweide« ist eines der Berliner Endlosprojekte. Der politische Beschluss fiel 2003, das Planfeststellungsverfahren begann 2008. Es wurde 2017 zurückgezogen mit der Begründung, dass sich zu viele Parameter in der Zwischenzeit geändert hätten. 2018 folgte ein zweites, überarbeitetes Verfahren, das 2021 in einem Planfeststellungsbeschluss mündete.

Die Deutsche Bahn hatte am 1. Juli schon Bauabschluss am Bahnhof Schöneweide gefeiert. Die drei Bahnsteige und die Unterführung wurden komplett neu gemacht, dazu noch der Rohbau für den Straßenbahntunnel erstellt. Die DB schreibt in ihrer Mitteilung von sechs Jahren Bauzeit seit 2018 und 42 Millionen Euro Kosten. Doch eigentlich begannen die Bauarbeiten bereits 2013 mit dem Austausch der Bahnbrücken über den Sterndamm, die weitere zwölf Millionen Euro kosteten. Ursprünglich war eine Fertigstellung des Bahnhofs für 2018 angekündigt worden. Die Baustelle war immer wieder von jahrelangem Stillstand geprägt.

Und die Bauarbeiten sind längst noch nicht fertig. Noch bis 2026 wird ein neues Stellwerk gebaut, was weitere Sperrungen der Bahnstrecken nach sich ziehen wird. Noch überhaupt keinen Zeitplan gibt es für die vom Bezirk Treptow-Köpenick angestoßene Neugestaltung des Bahnhofsvorplatzes. Und die denkmalgerechte Sanierung des maroden und derzeit versperrten Bahnhofsgebäudes wird DB-intern erst für 2030 avisiert. Es ist die typische Berliner Nebeneinanderher-Planerei und -Bauerei.

»Die Planungs- und Bauprozesse dauern in Berlin viel zu lange«, sagt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB zu »nd«. »Hier wurden 21 Jahre für etwas benötigt, was die Altvorderen vielleicht in fünf Jahren geschafft hätten. Das spricht nicht für die Zukunftsfähigkeit der Stadt.«

»Um den Vorplatz wenigstens etwas gefälliger zu gestalten, müssten als Erstes die Eingänge der ungenutzten ehemaligen Fußgängerunterführung unter der Michael-Brückner-Straße abgeräumt und der Tunnel zumindest provisorisch verschlossen werden«, fordert Wieseke. Es brauche vom Land Berlin auch klare Entscheidungen, um der DB zu helfen, das Bahnhofsgebäude zu sanieren. »Gerade solche schönen alten Bahnhöfe sind wichtig für die Attraktivität der Stadt und der Bahn.«

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