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Atome unter der Quantenlupe
Mit einem neuen Quantensensor wird eine Auflösung in der Größenordnung eines Atoms erreicht
Mit einem neuartigen Quantensensor ist es Wissenschaftlern des Forschungszentrums Jülich und des koreanischen IBS Center for Quantum Nanoscience gelungen, winzige magnetische Felder auf atomarer Skala zu vermessen. Ähnlich wie beim bildgebenden Verfahren der Magnetresonanztomographie in der Medizin sollen so Materialien in bisher unerreichter Auflösung untersucht werden können.
Sensoren sind technische Messfühler, die Eigenschaften von Materialien oder der Umgebung quantitativ erfassen. Dazu nutzen sie physikalische Effekte, die in ein elektrisches Signal umgewandelt werden, das weiterverarbeitet wird. Ein bekanntes Beispiel ist der piezoelektrische Effekt: Manche Festkörper, wie zum Beispiel Quarz, ändern bei Einwirkung eines äußeren Drucks ihre Polarisation – am Körper entsteht eine direkt messbare elektrische Spannung, durch die der auslösende Druck genau vermessen werden kann.
Quantensensoren nutzen quantenmechanische Effekte, jene Gesetzmäßigkeiten, die auf den kleinsten Skalen, im Größenbereich von Atomen, zum Tragen kommen. Die Hauptrolle dieser Sensoren spielen Elektronen, jene negativ geladenen Teilchen, die an Atomkerne gebunden sind und einen sogenannten »quantenmechanischen Spin« haben. Übertragen auf ein Bild der klassischen, also alltäglichen Physik dreht sich das Elektron um sich selbst, wobei sich ein magnetischer Dipol ausbildet. Dieser wird von äußeren Magnetfeldern beeinflusst – was mit großem technischen Know-how für Sensoren ausgenutzt werden kann.
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Diamanten als Sensoren
Mit am weitesten fortgeschritten sind bisher Quantensensoren aus Diamanten, bei denen »Fehler« nicht nur erwünscht, sondern unbedingt nötig sind. So werden bei den künstlich hergestellten, winzigen Diamanten in das ordentliche Kohlenstoffgitter nicht nur ähnlich große Stickstoffatome eingebaut, sondern auch »Lücken«, also freie Stellen, im sonst so regelmäßigen Kristall.
Liegen beide Gitterfehler beieinander, finden sich in der »Lücke-Stickstoff-Fehlstelle« die Elektronen zu einem kleinen, drehbaren Magneten zusammen. Wirkt nun von außen ein Magnetfeld, richten sich die Elektronenmagneten parallel oder antiparallel zu den äußeren Magnetfeldlinien und nach allen Regeln der Quantenmechanik aus. Und dann hat auch noch der Stickstoff seinen großen Auftritt: Wird Strahlung bestimmter Frequenz auf den Diamanten gerichtet, leuchtet der Stickstoff an den Fehlstellen auf, wobei die Intensität des Leuchtens vom Quantenzustand der kleinen Magnete abhängt. Von einer lichtempfindlichen Kamera aufgenommen, kann das Licht anschließend genau analysiert werden: die leuchtenden Fehlstellen können als eine Art »Quantenlupe« genutzt werden, um eine Probe mit hoher räumlicher Auflösung zu untersuchen.
Räumliche Auslösung bislang begrenzt
In der Praxis wird dazu eine zu untersuchende Probe, etwa große und komplex gebaute Moleküle, auf den Diamanten des Quantensensors aufgebracht und in das starke Feld eines supraleitenden Magneten geschoben. Ein nun eingestrahltes elektromagnetisches Signal stört und kippt die Atome (auch diese haben einen Spin!) der Probenmoleküle, die sich unter dem Einfluss des Magnetfelds wieder ordentlich parallel oder antiparallel ausrichten – wobei sie selbst charakteristische elektromagnetische Strahlung aussenden. Diese lässt nicht nur auf das Element, sondern auch auf seine Bindung und Lage im Molekül schließen, da beides beeinflusst, wie das Atom zurückkreiselt und strahlt. Befindet sich direkt unter dem strahlenden Atom nun die Fehlstelle des Diamantsensors, können Struktur und Zusammensetzung der Moleküle rekonstruiert werden. Doch das Loch hat einen Haken: Die Signalstärke nimmt mit dem Abstand schnell ab – und da die Fehlstelle mehrere Nanometer »tief« im Diamanten liegt, bleibt eine räumliche Auflösung begrenzt.
Messung mit einem Sensormolekül
Anders der neuartige Quantensensor: Statt einer tief verbauten Fehlstelle nutzt dieser ein einzelnes Molekül mit einem festen Elektronenspin, das stabil an der Spitze eines Rastertunnelmikroskops aufgebracht ist. Schon jenes »Aufstellen« war eine wissenschaftliche Meisterleistung, die erst 2018 geglückt ist. Das Sensormolekül kann nun bis auf wenige Atomabstände an eine zu vermessende Probe herangeführt werden und so magnetische Strukturen hochpräzise erfassen – erstmalig mit einer räumlichen Auflösung, die sich in der Größenordnung eines einzelnen Atoms bewegt.
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