Bundeswehr: Doch keine Wehrmachtsgrößen als Vorbilder

Verteidigungsministerium stoppt »Ergänzung« zu Traditionserlass

  • Peter Nowak, Jana Frielinghaus
  • Lesedauer: 4 Min.
Kriegstüchtig werden auch mit Nazi-Vorbildern? Diesen Eindruck wollte man im Hause Pistorius nun lieber doch nicht erwecken.
Kriegstüchtig werden auch mit Nazi-Vorbildern? Diesen Eindruck wollte man im Hause Pistorius nun lieber doch nicht erwecken.

Es war nur durch Medienrecherchen bekannt geworden: Im Verteidigungsministerium waren Mitte Juli »ergänzende Hinweise« zur Interpretation der »Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege« der Bundeswehr erarbeitet und beschlossen worden. Sie sollten ermöglichen, künftig wieder Wehrmachts- und SS-Offiziere als Vorbilder zu ehren, die nicht dem militärischen Widerstand gegen das Hitler-Regime zuzuordnen sind.

Nach einem »Taz«-Bericht darüber hatte es heftige öffentliche Kritik an der faktischen Rückkehr zu Zeiten vor der unter Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) 2018 geänderten Richtlinie gegeben. Daraufhin hatte von der Leyens Amtsnachfolger Boris Pistorius (SPD) die Ergänzung des Erlasses vollumfänglich zurückgenommen, wie sein Sprecher Arne Collatz am Mittwoch in der Bundespressekonferenz erklärte.

Dass sie Zweifel an der Distanz der Bundeswehr zur nationalsozialistischen Wehrmacht habe aufkommen lassen, bedauere man sehr, sagte Collatz. Er wies dem Abteilungsleiter »Einsatzbereitschaft und Unterstützung Streitkräfte« im Ministerium, Kai Rohrschneider, die Verantwortung für die Formulierungen in dem Papier zu. Dieser hatte es unterzeichnet und als Weisung an die Zuständigen in der Truppe weitergereicht. Es habe Bezüge hergestellt, »die sich jetzt in der Rückschau so nicht als förderlich herausgestellt haben«, so Collatz.

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»Den Willen zum Kampf stärken«

In den »ergänzenden Hinweisen« waren Offiziere aufgelistet, die in der Wehrmacht gekämpft und sich dann beim Aufbau der Bundeswehr Verdienste erworben hätten. In der »Zeitenwende« nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sei die Bedeutung von »Kriegstüchtigkeit« gestiegen, hieß es unter anderem zur Begründung. Aufgabe der Traditionspflege sei es auch, »Einsatzbereitschaft und den Willen zum Kampf stärken«, wenn es für den Auftrag nötig sei. Mit dieser dieser Argumentation hatte Collatz die Ergänzung noch am Montag verteidigt.

Nun erklärte er: »Insgesamt hat die Gesamtdebatte dazu geführt, dass wir uns noch mal die Formulierungen angeschaut haben und sie vom Markt nehmen.« Er fügte hinzu: »Das heißt, die ergänzenden Hinweise werden zurückgenommen, weil sie eben insgesamt Zweifel am Grundsatz haben aufkommen lassen, dass der Traditionserlass von 2018 für ein klares Bekenntnis der Bundeswehr zu Demokratie und Rechtsstaat steht – ohne Bezüge eben zu Wehrmachtszeiten.«

Es müsse immer klar sein, so Collatz, dass die Tradition der Truppe selbst der Kern ihrer Erinnerungskultur sei. Im Ergebnis der Debatte seien die Ergänzungen »heute damit außer Kraft gesetzt, und wir hoffen damit für Eindeutigkeit und Verhaltenssicherheit gesorgt zu haben«.

Ursula von der Leyen (CDU) hatte die neuen Richtlinien 2018 auch in Reaktion auf rechte Umtriebe und Traditionskabinette mit Wehrmachtsdevotionalien bei der Bundeswehr erlassen. In der Folge sollten mittelfristig auch nach Wehrmachtsoffizieren benannte Kasernen neue Namen bekommen, was teilweise geschehen ist.

Halbherzige Reform von 2018

Im bis dahin gültigen Erlass von 1982 hieß es noch: »In den Nationalsozialismus waren Streitkräfte teils schuldhaft verstrickt, teils wurden sie schuldlos missbraucht. Ein Unrechtsregime wie das Dritte Reich kann Tradition nicht begründen.« In den neuen Richtlinien wird betont, die Armee der Nazizeit als Ganzes könne unter keinen Umständen traditionsstiftend sein. Sie habe dem »nationalsozialistischen Unrechtsregime« gedient und sei »in dessen Verbrechen schuldhaft verstrickt, die in ihrem Ausmaß, in ihrem Schrecken und im Grad ihrer staatlichen Organisation einzigartig in der Geschichte sind«.

Alle Wehrmachtsoffiziere, die sich am militärischen Widerstand gegen das Regime beteiligt haben, gelten indes auch dem Erlass von 2018 zufolge automatisch als traditionswürdig. Kritiker*innen hielten dies für fragwürdig. Denn nicht wenige der Männer, die am 20. Juli 1944 Hitler töten wollten, waren nicht nur jahrelang überzeugte Nazis. Einige waren auch an Kriegsverbrechen beteiligt. Ein demokratisches Deutschland wollten nur wenige von ihnen.

In den nun zurückgenommenen »ergänzenden Hinweisen« schrieb das Ministerium, ein Großteil der Gründergeneration der Bundeswehr habe sich aus Ex-Wehrmachtsoldaten rekrutiert. Einige von ihnen hätten sich durch exzellente militärische Leistungen hervorgetan – und könnten somit künftig Teil der Traditionspflege der Bundeswehr sein. Kritiker hatten darauf verwiesen, dass es sich bei einem Teil der Genannten um Personen handle, an deren demokratischer Gesinnung Zweifel bestünden und die bis heute in rechtsradikalen Kreisen verehrt würden.

Einer der in den »Hinweisen« Genannten war Erich Hartmann, laut Wikipedia »erfolgreichster Jagdflieger in der Geschichte des Luftkriegs«. Wegen seiner vielen Abschüsse gegnerischer Maschinen im Zweiten Weltkrieg von den Nazis gefeiert, baute er mit anderen ab 1956 die bundesdeutsche Luftwaffe auf und brachte es bis zum Oberst.

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