Rückzug der Linken-Parteispitze: Konsequenz eines Scheiterns

Wolfgang Hübner über den Rückzug der Linke-Vorsitzenden

Da standen die Zeichen noch auf Aufbruch: Linke-Vorsitzende Janine Wissler und Martin Schirdewan beim Parteitag im November 2023 in Augsburg
Da standen die Zeichen noch auf Aufbruch: Linke-Vorsitzende Janine Wissler und Martin Schirdewan beim Parteitag im November 2023 in Augsburg

Dass die beiden Vorsitzenden der Linkspartei beim Parteitag im Oktober ihre Ämter zur Verfügung stellen und nicht mehr kandidieren, kommt wenig überraschend. Höchstens dies: Janine Wissler war mehr Entschlossenheit zugetraut worden als Martin Schirdewan, weiterzumachen und die Partei aus dem Tief zu führen.

Letztlich haben sich beide für den Rückzug entschieden, und es ist nur konsequent: Damit ermöglichen sie einen Neuanfang in der seit Längerem anhaltenden Krise der Partei, aus der es bisher keinen Ausweg zu geben scheint. Es gebe in Teilen der Partei den Wunsch nach einem personellen Wechsel, schreibt Wissler in einer Erklärung, und das ist höflich formuliert: Schon im Streit um die Wagenknecht-Gruppe und erst recht nach dem miserablen Ergebnis bei der Europawahl wurde aus der Linken Rücktrittsforderungen laut.

Wissler 2021 und Schirdewan 2022 wurden mitten in der krisenhaften Entwicklung an die Spitze der Linken gewählt. Sie wurden in die Flügel- und Machtkämpfe geworfen, die in Partei und Bundestagsfraktion geführt wurden und maßgeblich mit dem Namen Sahra Wagenknecht zu tun haben. Bis heute gibt es – auch namhafte – Leute in der Linken, die glauben, dass man die auseinanderstrebenden Flügel hätte zusammenhalten können. Eine Illusion, wenn man sich Wagenknechts Ritt nach rechts etwa in Sachen Migration und Klima ansieht. Wissler und Schirdewan sind beim Versuch, die Einheit der Linken zu bewahren, jedenfalls gescheitert und wollten es irgendwann auch nicht mehr; so wie sie bislang auch bei dem Versuch gescheitert sind, Die Linke nach der Abspaltung wieder in die Erfolgsspur zu bringen.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Das müssen nun andere in Angriff nehmen, und es wird eine aufreibende Angelegenheit. Denn in kürzester Zeit muss sich die Partei – auch nach den womöglich ziemlich ernüchternden Ergebnissen der anstehenden Landtagswahlen – aufrappeln, Selbstbewusstsein tanken und den Wählern plausibel machen, dass sie als politische Kraft gebraucht wird. Die Ziellinie ist die Bundestagswahl 2025, und das ist verdammt wenig Zeit.

Schon für Wissler und Schirdewan galt: Ihr Job ist keine Gute-Laune-Veranstaltung, in Teilen eher eine Zumutung. Die Nachfolger werden es nicht einfacher haben, wobei man sich schon fragen darf, wer sich in dieser verfahrenen Lage vor den Karren spannen will. Aber sie können vielleicht etwas weniger belastet von den alten Auseinandersetzungen und angesichts klarer Verhältnisse in Sachen Linke und BSW nach Wegen der Erneuerung suchen. Daraus können sich Möglichkeiten eröffnen. Denn nichts wäre fataler als ein endgültiger Abschied dieser linken Partei von der politischen Bildfläche.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.