Verbot der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche: Glaubenskrieg

Kiew will mit dem Verbot der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche Moskaus Einfluss im Land eindämmen

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 4 Min.
Protest gegen Russlands Patriarch Kirill. Dass sich die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche von Moskau losgesagt hat, half nicht gegen das Verbot.
Protest gegen Russlands Patriarch Kirill. Dass sich die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche von Moskau losgesagt hat, half nicht gegen das Verbot.

Das ukrainische Parlament hat am Montag mit einer Mehrheit von 265 Stimmen in zweiter Lesung ein Gesetz verabschiedet, das auf ein Verbot der Ukrainisch- Orthodoxen Kirche (UOK) abzielt. Der Grund des Verbots: Die UOK, der ukrainische Medien aus propagandistischen Gründen gerne das Prädikat »Moskauer Patriarchat« anhängen, sei mit der Russisch-Orthodoxen Kirche affiliiert. Und diese wiederum unterstützt Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Lange hatte die UOK in der Ukraine das Monopol auf den orthodoxen Glauben. Seit Januar 2019 gibt es zwei große orthodoxe Kirchen, die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche unter dem kirchlichen Oberhaupt Metropolit Onufrij und die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) unter Metropolit Epiphanius. Der ukrainische Staat steht hinter der OKU.

Ukrainisch-Orthodoxe Kirche bricht nach Kriegsbeginn mit Moskau

Tatsächlich war die UOK bis Anfang 2022 mit der Russisch-Orthodoxen Kirche affilliert. Doch sofort nach dem 24. Februar 2022, dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine, verurteilte die UOK den Angriff und leitete die Trennung ein, die dann am 27. Mai 2022 durch ein Landeskonzil in Kiew offiziell vollzogen wurde.

Vor der Abstimmung unterstützte der bekannte Politologe Wolodymyr Fesenko den »Gesetzentwurf zur spirituellen Unabhängigkeit der Ukraine«. Durch diese »Mini-Revolution« werde deutlich, dass der Status der »Ukrainisch-Orthodoxen Kirche Moskauer Patriarchat« kein Gegenstand von Verhandlungen mit Russland sein könne, schrieb Fesenko auf Facebook. Auch der Allukrainische Kirchenrat, dem alle im Land anerkannten Kirchen sowie die jüdische und die islamische Gemeinschaft angehören, hatte sich vor der Parlamentsabstimmung für die Unterstützung des Kurses des Präsidenten »hin zu einer spirituellen Unabhängigkeit ausgesprochen«.

Geistliche sollen russische Pässe besitzen

Die »Ukrajinska Prawda« berichtet unter Berufung auf den Inlandsgeheimdienstes SBU, dass seit Beginn der russischen Invasion gegen mehr als 100 Geistliche der UOK Strafverfahren eingeleitet und 26 verurteilt worden seien. Näheres zu den Vorwürfen erfahren die Leser nicht. Allerdings werden in der ukrainischen Presse immer wieder Vorwürfe laut, Metropolit Onufrij und andere Geistliche besäßen die russische Staatsangehörigkeit. Mit dem Verbot, so Parlamentssprecher Ruslan Stefantschuk, werde Russland jeglicher Einfluss auf Kirchen in der Ukraine entzogen.

Doch es gibt auch Kritiker, die das Verbot ablehnen. Einer von ihnen ist der ukrainische Profiboxer und ehemalige Welt- und Europameister sowie Olympiasieger Wassyl Lomatschenko. »Diejenigen, die am Verbot der UOK mitgewirkt haben, haben offensichtlich noch nicht begriffen, welche Folgen es haben wird und was als Nächstes passieren wird ... Frieden für alle«, schrieb Lomatschenko, der sich sofort nach Beginn des russischen Großangriffs auf die Ukraine als Freiwilliger bei der ukrainischen Armee gemeldet hatte, auf Instagram.

Kritik aus dem In- und Ausland

Auch der Anwalt der UOK, der Kanadier Robert Amsterdam, kritisiert das »drakonische Gesetz, das die UOK verbieten will«, scharf. »Kein Land sollte, schon gar nicht in Kriegszeiten, Ketten an die Tore der Kirchen legen«, so Amsterdam, der vor 20 Jahren den russischen Oligarchen Michail Chodorkowski vertreten hatte.

Acht Stunden nach Beginn der russischen Invasion, heißt es in einem White Paper der Anwaltskanzlei Amsterdam & Partners LLP, habe Metropolit Onufrij bereits den Widerstand seiner Kirche gegen den Krieg erklärt. Die UOK habe mehr Unterstützung für die ukrainische Armee geleistet als alle anderen religiösen Organisationen im Land, so das Amsterdam-Papier. Insgesamt gleiche die derzeitige ukrainische Religionspolitik eher der Politik der Sowjetunion der 20er Jahre als der Religionspolitik einer progressiven westlichen Demokratie des 21. Jahrhunderts.

Umsetzung des Verbots ist sehr kompliziert

Es bleibt abzuwarten, wie die Umsetzung des Gesetzes aussehen wird. Denn die UOK ist nicht eine juristische Person, sie besteht aus mehreren tausend juristischen Personen. Zurzeit gebe es, so berichtete der Fernsehsender »Espreso« im Mai, 8097 Kirchen, die sich der UOK zuordnen. 22 davon führten eine Zugehörigkeit zum Moskauer Patriarchat im Namen. Das neue Gesetz gibt kirchlichen Organisationen, die einer Nähe zur Russisch-Orthodoxen Kirche verdächtigt werden, neun Monate Zeit, ihre Beziehung zum Moskauer Patriarchat abzubrechen.

Dies bedeutet, es muss tausendfach geprüft werden, ob eine Gemeinde zur Russisch-Orthodoxen Kirche Kontakt hat. Diese neunmonatige Frist werde möglicherweise mit den einhergehenden juristischen Streitigkeiten dazu führen, dass eine Umsetzung des Gesetzes erst in einem Jahr nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten zu erwarten ist, mutmaßt der ukrainische Dienst der BBC.

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