Landesflächen für Wohneigentum

Berlin lässt Genossenschaften ein Privatisierungs-Schlupfloch

So soll das Schuhmacherquartier in Tegel in Zukunft aussehen. Hier könnten Genossenschaften zumindest theoretisch Eigentumswohnungen auf landeseigenen Grundstücken ertricksen.
So soll das Schuhmacherquartier in Tegel in Zukunft aussehen. Hier könnten Genossenschaften zumindest theoretisch Eigentumswohnungen auf landeseigenen Grundstücken ertricksen.

Wohnungsbau-Grundstücke des Landes Berlin könnten künftig ganz legal für den Bau von Eigentumswohnungen genutzt werden. Möglich machen das die von der Senatsbauverwaltung erlassenen aktuellen Förderbestimmungen für Genossenschaften. Es bräuchte allerdings etwas Trickserei und einen längeren Atem.

Zunächst muss eine Genossenschaft in einem Konzeptverfahren den Zuschlag für ihr Wohnungsbauprojekt auf einem Grundstück des Landes bekommen. Vorgesehen ist die Vergabe solcher Landesgrundstücke bei einigen geplanten neuen Siedlungen wie dem Schumacher-Quartier auf Flächen des ehemaligen Flughafens Tegel oder dem Quartier »Am Sandhaus« in Berlin-Buch. Außerdem werden Grundstücke, die von den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften als nicht geeignet für ihre tendenziell größeren Vorhaben angesehen werden, bereits seit einigen Jahren auf diese Weise vergeben.

Mit der Tür ins Haus fallen darf die Genossenschaft mit ihren Plänen für Eigentumswohnungen aber nicht. »Eine Genossenschaft, die satzungsgemäß die Bildung von Wohneigentum für ihre Mitglieder für den Bestand zum Ziel hat, wäre nicht förderfähig«, heißt es in der Antwort der Senatsbauverwaltung auf eine Schriftliche Anfrage der Linke-Abgeordneten Katalin Gennburg. Sie ist Sprecherin für Stadtentwicklung der Abgeordnetenhausfraktion.

Allerdings ist eine nachträgliche Änderung der Satzung durchaus möglich, was sich auch in den im Sommer 2023 in Kraft getretenen Förderbestimmungen niederschlägt. »Im Falle einer späteren Umwandlung der Genossenschaft in eine Wohnungseigentümergemeinschaft« muss diese oder deren Rechtsnachfolger für die geförderten Wohnungen auf Eigenbedarfskündigungen »bis zum Ablauf von zehn Jahren nach dem Ende des Förderzeitraums« verzichten, heißt es dort. Auch dürften die geförderten Wohnungen in diesem Zeitraum nicht einzeln verkauft werden. Insgesamt sind für geförderte Wohnungen so 40 Jahre die Mieten geschützt, Eigenbedarf kann erst nach 50 Jahren angemeldet werden.

Anders sieht es für die Wohnungen aus, die nicht gefördert worden sind – in der Regel zwei Drittel des Bestands. Sie könnten zügig in Eigentum umgewandelt werden.

Ein prominentes Beispiel aus der Vergangenheit für die Aufteilung von genossenschaftlichen Wohnungen ist die Genossenschaft Spreefeld, einen Steinwurf vom Bahnhof Jannowitzbrücke entfernt. 60 Prozent der Wohnungen in den 2013 fertiggestellten Häusern sind inzwischen an Mieterinnen und Mieter verkauft worden. Dort sah die Satzung von Anfang an diese Möglichkeit vor. Die hohen Immobilienwertsteigerungen waren für viele Mitglieder wohl ein größerer Anreiz als die genossenschaftliche Idee. Dauerhaft preiswerter Wohnraum konnte so jedenfalls nicht gesichert werden.

»Wäre diese Praxis so umsetzbar, wäre das ein Brandbeschleuniger für die ohnehin schon krasse Gentrifizierung der Innenstadt und den Mietenwahnsinn.«

Katalin Genburg (Linke)
Sprecherin für Stadtentwicklung im Abgeordnetenhaus

Auch wenn so ein Szenario zunächst recht umständlich wirkt, zeigt es doch die Fallstricke, die eine arglose Vergabe von Landes-Grundstücken mit sich bringen kann. Dementsprechend äußert Katalin Gennburg »große Sorge um unsere Landesgrundstücke und das kommunale Eigentum, welches wir für die Versorgung breiter Schichten mit Wohnraum und zur Daseinsvorsorge brauchen«. Sie fordert von Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) die Klärung, ob auf dem beschriebenen Wege tatsächlich die Schaffung von Eigentumswohnungen auf landeseigenen Grundstücken möglich wäre.

»Wäre diese Praxis so umsetzbar, wäre das ein Brandbeschleuniger für die ohnehin schon krasse Gentrifizierung der Innenstadt und den Mietenwahnsinn«, so die Linke-Politikerin weiter.

Katalin Gennburg fordert, dass »endlich die Wohngemeinnützigkeit als Regulativ für die soziale Wohnraumsicherung und deren politische Privilegierung kommen müssen«. Zwar hat die Koalition auf Bundesebene im Sommer eine neue Wohngemeinnützigkeit eingeführt, allerdings auf bisher eher homöopathischem Niveau. Die dauerhafte Sicherung leistbaren Wohnraums auf breiter Front ist so nicht machbar.

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