»Niemand flieht freiwillig«

Bei 40 000 Menschen vermutet das BKA illegale Fluchthilfe

Von der Bundespolizei gestoppte Menschen in der Lausitz. Geflüchtete werden durch die EU-Migrationspolitik zu immer schwierigeren Routen gezwungen.
Von der Bundespolizei gestoppte Menschen in der Lausitz. Geflüchtete werden durch die EU-Migrationspolitik zu immer schwierigeren Routen gezwungen.

Eigentlich ist die Polizei nicht für Migration zuständig – außer es werden Straftatbestände verfolgt, die nur für Ausländer gelten. Hierzu gehören die »illegale Einreise« oder der »illegale Aufenthalt« sowie die Beihilfe durch Unterstützer*innen. Am Mittwoch hat das Bundeskriminalamt (BKA) hierzu seinen Lagebericht für 2023 veröffentlicht. Insgesamt 266 224 Personen wurden in dem Jahr wegen »illegaler Einreise oder Aufenthalt« erfasst, gegenüber 2022 ein Zuwachs von einem Drittel. Weiterhin stammten die meisten aus Syrien (54 207), gefolgt von der Türkei (35 732) und Afghanistan (35 370).

Viele der von deutschen Polizeien aufgegriffenen Geflüchteten seien dem BKA zufolge über die sogenannte Balkanroute geschleust worden und über Österreich (29,4 Prozent) und Tschechien (22,5 Prozent) in Deutschland angekommen. Fast 42 Prozent seien jedoch irregulär aus Polen eingereist – die meisten von ihnen dürften die EU-Außengrenze über Belarus passiert haben.

Bei rund 39 700 Personen lägen Verdachtsmomente auf eine »Einschleusung nach Deutschland« vor, betont das BKA. Die Zahl der Tatverdächtigen im Bereich der Schleuserkriminalität stieg demnach um mehr als ein Viertel, die Zahl der Fälle sogar um fast ein Drittel. Die Polizei wertet dies als Indiz, dass immer größere Gruppen »geschleust« werden. Die Helfer*innen agierten zunehmend risikobereiter und rücksichtsloser, so das BKA.

Mit derartigen Einordnungen würden »Schleuser« als Sündenböcke dargestellt, erklärt Julia Winkler von der Organisation Borderline Europe. »Es ist unbestritten, dass der Transport auf der Ladefläche eines Lkws lebensgefährlich ist. Doch die entscheidende Frage bleibt: Wie viele Möglichkeiten für einen würdevollen und sicheren Transport bleiben angesichts der immer weiter zunehmenden Grenzkontrollen und eskalierenden Abschottungspolitik?«

Für den Kampf gegen »Schleuser« fordert die Gewerkschaft der Polizei nun neue Technik zum Auslesen von Mobiltelefonen, mehr mobile Fingerabdruckgeräte, Gesichtserkennungssoftware und Personal. Dies halte die Einreisenden aber nicht auf, kommentiert die Bundestagsabgeordnete und fluchtpolitische Sprecherin der Linke-Gruppe Clara Bünger. »Das Gegenteil ist der Fall, wir sehen das an den verschobenen Schleusungsrouten: Menschen sind in so großer Not, dass sie sich auch auf noch gefährlichere Transportbedingungen und Routen einlassen«, sagt Bünger und erinnert: »Niemand flieht freiwillig.«

Laut dem BKA nutzten Schleuser auch verstärkt Routen über das Mittelmeer. Diese Zahlen sind jedoch überholt: Vergangene Woche teilte die EU-Grenzagentur Frontex mit, dass die Überfahrten aus Libyen und Tunsien sowie Ägypten in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 64 Prozent gesunken sind. Die Passagen über das östliche Mittelmeer in der Ägäis stiegen zwar im gleichen Zeitraum um 57 Prozent. Trotzdem kamen dieses Jahr insgesamt weniger Menschen auf dem Seeweg an. Die gesamte Migration in die EU sank den neuen Zahlen zufolge um 36 Prozent.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -