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Ludwig Scheetz wirbt mit Bier und Bratwurst um Stimmen
Beobachtungen entlang des Spreeradwegs von der Talsperre Spremberg bis Erkner
Um 18 Uhr ist Anpfiff im Cottbuser Stadion der Freundschaft. Im DFB-Pokal trifft Werder Bremen auf den FC Energie Cottbus. Entsprechend voll ist der Zug aus Berlin, in dem Anhänger beider Fußballmannschaften zwei Stunden miteinander auskommen müssen. Denn die schnellere Direktverbindung nach Cottbus ist wegen Bauarbeiten gesperrt und ein Umweg über Frankfurt (Oder) notwendig. Drei Bremen-Fans, die in Berlin studieren, haben noch nie etwas von der sorbischen Minderheit gehört, die in der Lausitz lebt. Dass es unter den Anhängern des FC Energie gewaltbereite Neonazis gibt, wissen sie aber und machen sich Sorgen, mit ihnen zusammenzustoßen.
Dass Brandenburg Probleme mit Rechten hat, ist offensichtlich auf dem rund 270 Kilometer langen Abschnitt des Spreeradwegs von der Talsperre Spremberg tief im Süden des Bundeslandes bis nach Erkner vor den Toren Berlins. Der Radweg führt an mehreren Gehöften vorbei, die von ihren Besitzern per Schild oder Flagge als »Deutsches Reichsgebiet« deklariert werden. 1000 Einwohner zählt Brandenburgs Verfassungsschutz mittlerweile zur Szene der Reichsbürger und Selbstverwalter – 350 mehr als noch im Jahr 2022. Der starke Anstieg wird damit begründet, dass der Geheimdienst das Dunkelfeld habe aufhellen können. Bei zehn Prozent der Personen sieht der Verfassungsschutz »Überschneidungen zum Rechtsextremismus«.
Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.
Verglichen mit der AfD sind die Reichsbürger allerdings eine Randerscheinung. Die AfD schickt sich an, bei der Landtagswahl am 22. September stärkste Kraft zu werden. Der Verfassungsschutz stuft den Landesverband als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein, seine Jugendorganisation als »gesichert rechtsextremistisch«. 24 Prozent versprechen die Umfragen dieser Partei. SPD und CDU liegen vier bis fünf Prozentpunkte hinter ihr. Die Sozialdemokraten versuchen, die AfD noch einmal so abzufangen wie schon bei der Landtagswahl 2019. Der Wahlkampf ist erneut auf den Ministerpräsidenten Dietmar Woidke zugeschnitten, dem eine Mehrheit der Bevölkerung bescheinigt, eine gute Arbeit zu machen. An allen Ecken und Enden hängen Plakate mit der Botschaft: »Wer Woidke will, wählt SPD!«
In Woidkes Windschatten segelt im Wahlkreis 27 der SPD-Landtagsabgeordnete Ludwig Scheetz – unternimmt aber auch eigene Anstrengungen. Am Donnerstagabend ist er auf dem Parkplatz vor dem Campingplatz von Ranzig zu finden. Aus einem Lautsprecher dröhnt Schlagermusik. Getränke und Essen gehen auf Scheetz. Jusos, darunter ihr Landesvorsitzender Leonel Richy Andicene, grillen Bratwürste und Käse. Das ist eine gute Tat. Denn auf dem Spreeradweg gab es aus südlicher Richtung kommend den letzten noch geöffneten Dorfkonsum 25 Kilometer entfernt in Alt-Schadow und die letzte Möglichkeit zur Einkehr 18 Kilometer weg in einem Hotelrestaurant in Werder. Andere Dorfgasthöfe sind oft verrammelt und vergammeln. Bäcker und Fischimbiss in Trebatsch schließen bereits um 18 Uhr.
»Seit 2019 übernehme ich Verantwortung im Landtag. Für diese Chance bin ich sehr dankbar.«
Ludwig Scheetz SPD-Abgeordneter
In der Gastronomie herrscht Personalnot. Viele Köche und Kellner suchten sich während der Corona-Pandemie andere Jobs mit besserer Bezahlung und familienfreundlicheren Arbeitszeiten. Nicht selten servieren jetzt Zugewanderte, die nur gebrochen Deutsch sprechen – und am Stausee der Talsperre Spremberg sitzen arabisch sprechende Frauen mit Kopftüchern und langen Kleidern, während ihre männlichen Verwandten bis auf Unterhemd und -hose entkleidet baden. Am Wasserwander-Rastplatz von Neubrück dagegen treffen alkoholisierte Männer aus dem Vogtland mit Paddelbooten ein, palavern in ihrem Dialekt vom »Ficken« und springen nackt in die Spree. Zwei rastende Frauen fühlen sich deshalb unwohl und suchen das Weite.
Auf einem Bierdeckel von SPD-Kandidat Ludwig Scheetz steht »Mit Ludwig auf ein Bier« und »Mit Ludwig für soziale Sicherheit«. Es besteht Verwechslungsgefahr: Die Linke stellte im Wahlkreis 27 ebenfalls einen Ludwig auf: den Ex-Justizminister und langjährigen Landtagsabgeordneten Stefan Ludwig, der 2019 in einem anderen Wahlkreis angetreten war und den Wiedereinzug ins Parlament verpasst hatte. Der Wahlkreis reicht von Königs Wusterhausen im Berliner Umland bis ins 52 Kilometer südöstlich gelegene Ranzig. Ludwig Scheetz gewann diesen Wahlkreis vor fünf Jahren mit 27,3 Prozent der Stimmen. »Seit 2019 übernehme ich Verantwortung im Landtag«, sagt er. »Für diese Chance bin ich sehr dankbar.« Scheetz verhinderte seinerzeit einen Sieg des AfD-Spitzenkandidaten Andreas Kalbitz. Dessen Tage im Landtag sind aber gezählt. Als er sich 2013 der AfD anschloss, soll Kalbitz in seinem Aufnahmeantrag verschwiegen haben, dass er 1994 bei den Republikanern war. Deshalb wurde seine Mitgliedschaft 2020 für nichtig erklärt. An seiner Stelle kandidiert im Wahlkreis 27 für die AfD Benjamin Filter. Die CDU nominierte mit Christian Schroeder den neuen Bürgermeister von Bad Saarow.
Kurz vor Steinfurt bei Erkner wundert sich eine Ausflüglerin, dass so viele AfD-Plakate an den Laternen hängen und niemand sie herunterreißt – auch wenn den Tätern eine Geldstrafe droht. Die Frau ist aus Westberlin ins Umland zugezogen und entdeckt jetzt, dass die Uhren in Brandenburg anders ticken.
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