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AfD mit Abstand stärkste Kraft in Thüringen

CDU auf Platz zwei / BSW aus dem Stand auf dem dritten Rang / Linkspartei mit hohen Verlusten

  • Lesedauer: 4 Min.
In Thüringen waren 1,66 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.
In Thüringen waren 1,66 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimme abzugeben.

Berlin.  Deutlicher rechtsextremer Sieg: Die AfD in Thüringen liegt nach einer Hochrechnung der ARD von 20.29 Uhr (infratest/dimap) bei 32,8 (+ 9,4) Prozent und verweist die CDU mit 23,8 (+ 2,1) Prozent auf den zweiten Platz. Auf Platz drei folgt das Bündnis Sahra Wagenknecht mit 15,5 (+ 15,5) Prozent. Die Linkspartei, die mit Bodo Ramelow noch den Ministerpräsidenten stellt, muss herbe Verluste hinnehmen und landet nur bei 12,9 (- 18,1) Prozent. Auch für die beiden bisherigen Regierungspartner der Linken, SPD und Grüne, bringt die Wahl schlechte Ergebnisse: Die Sozialdemokraten ziehen mit 6,2 (- 2) Prozent zumindest wieder in den Landtag ein. Die Grünen scheitern mit 3,3 (- 1,9) Prozent. Auch die FDP ist mit 1,2 Prozent (- 3,8) sicher raus.

Die AfD erhält demnach 32 (bisher 22). Die CDU kommt auf 23 Sitze (21), das BSW auf 15. Die Linken haben 12 Mandate (29). Die SPD stellt 6 Abgeordnete (8).

Rund 1,66 Millionen Menschen waren zur Abstimmung aufgerufen. Die Wahlbeteiligung liegt laut Prognose bei 73,5 Prozent. 2019 waren es 64,9 Prozent.

Schwierige Regierungsbildung

Aussichten auf eine Koalition hat die in Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD kaum, alle anderen Parteien haben eine Zusammenarbeit mit ausgeschlossen. Das Land steuert auf eine extrem schwierige Regierungsbildung zu. Ein Bündnis aus CDU, BSW und SPD, das als mögliche Option gilt, kommt nach Hochrechnungen bislang nicht auf eine Mehrheit der Landtagssitze.

Die bisherige rot-rot-grüne Minderheitskoalition, die auf eine Zusammenarbeit mit der CDU angewiesen war, hat keine Chance auf eine Neuauflage. Ramelow, der den Freistaat seit zehn Jahren regiert, sieht die Aufgabe zur Regierungsbildung nun beim CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt. »Der im demokratischen Spektrum, der die meisten Stimmen hat, der muss die Gespräche beginnen, der muss einladen. Ich werde alle dabei unterstützen, die helfen, dass wir zu einer demokratischen Mehrheit im Parlament bekommen«, sagte der Linke-Politiker in der ARD.

Die Suche nach einer Regierungsmehrheit dürfte kompliziert werden. Die CDU schließt laut einem Bundesparteitagsbeschluss eine Zusammenarbeit mit AfD und Linken aus. Möglicherweise drohen Verhältnisse, bei denen sich eine Minderheitsregierung von anderen Parteien unterstützen lassen müsste. Trotz der einhelligen Ablehnung der anderen Parteien kündigte AfD-Spitzenkandidat Höcke an, zu Gesprächen über mögliche Koalitionen einladen zu wollen.

Nach den ersten Prognosen erklärte Linke-Vorsitzender Martin Schirdewan im Fernsehsender phoenix mit Blick auf den Thüringer AfD-Erfolg: »Wir erleben das erste Mal nach dem Zweiten Weltkrieg, dass eine im Kern faschistische Partei in einem Bundesland die Mehrheit erringt". Die Linke erlebe »einen bitteren Abend«, so Schirdewan.

Zwischenfall in Gera

Der Spitzenkandidat der AfD, Björn Höcke, gab gegen Mittag seine Stimme in Bornhagen ab. Er verweilte nicht lang im Wahllokal und sprach auch nicht mit Journalisten vor Ort. Trotz des Höhenflugs seiner Partei lief es für ihn zuletzt nicht rund. Aus »gesundheitlichen Gründen« sagte er in dieser Woche kurzfristig seine Teilnahme an der TV-Diskussionsrunde der Spitzenkandidaten ab. Weil er in seinem Heimatwahlkreis Eichsfeld zuvor stets dem CDU-Kandidaten unterlegen war, hatte Höcke den Wahlkreis nach Greiz gewechselt.

Wahljahr Ost

Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.

CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt gab in Jena seine Stimme ab. Er wünsche sich, »dass viele Thüringerinnen und Thüringer wählen gehen und von ihrem Recht Gebrauch machen, die Zukunft unseres Landes zu bestimmen«, sagte er anschließend. Er hoffe zudem auf »stabile Mehrheitsverhältnisse«, damit das Land wieder nach vorn geführt werden könne.

Ministerpräsident Ramelow grenzte sich klar von der AfD ab. Er werde kämpfen – »und zwar für all diejenigen, die sich für eine freiheitliche Entscheidung und eine demokratische Entscheidung aufmachen«. Die Stärke der AfD sei dabei aber »kein Thüringer isoliertes Problem«, betonte er nach seiner Stimmabgabe in Erfurt.

In Gera kam es zu einem Polizeieinsatz wegen einer Bedrohung in einem Wahllokal. Ein mit einem AfD-T-Shirt bekleideter Mann habe das Wahllokal zur Stimmabgabe am Vormittag betreten, sagte ein Polizeisprecher. Der Wahllokalleiter habe den Mann daraufhin aufgefordert, das Shirt abzulegen, da es im Wahllokal verbotene Parteien-Werbung sei. 

Der Mann sei der Aufforderung zwar nachgekommen. Beim Verlassen des Wahllokalgeländes habe er allerdings gedroht, »wiederzukommen«, da er mit dem Umgang mit ihm unzufrieden sei. Die Polizisten fertigten eine Anzeige und ermahnten den Mann. Agenturen/nd

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