Immer mehr Amazon-Beschäftigte für Mitbestimmung

Das dritte Amazon-Verteilzentrum in Nordrhein-Westfalen mit gewerkschaftlichem Betriebsrat

Pakete in einem deutschen Amazon-Sortierzentrum
Pakete in einem deutschen Amazon-Sortierzentrum

Im großen Amazon-Verteilzentrum in Berlin-Tegel hat jüngst die gewerkschaftliche Verdi-Liste die Betriebsratswahlen deutlich gewonnen. Sie stellt künftig fünf von sieben Betriebsräten. Aber nicht nur dort: Auch im nordrhein-westfälischen Witten, im Ruhrgebiet, wurde im dortigen Amazon-Sortierzentrum zum ersten Mal ein Betriebsrat gewählt.

In Witten konnten elf von 13 Plätzen des neu gewählten Gremiums mit Kandidatinnen und Kandidaten der von Verdi unterstützten Liste »DTM9 Together« besetzt werden. Die gewerkschaftsnahe Liste gewann die Betriebsratswahl mehrheitlich. Das ist beachtlich, denn gerne setzt der Logistikriese Amazon auf »eigene« und vorab auf Konzernlinie gebrachte Betriebsräte, um so Einfluss auf die betriebliche Mitbestimmung zu nehmen.

Die zuständige Gewerkschaftssekretärin für den Betrieb in Witten, Kaoutar Charjane, spricht gegenüber »nd« von einem »kollegialen Erfolg«, der die wachsende Bedeutung von Arbeitnehmervertretungen bei Amazon in Nordrhein-Westfalen unterstreiche. Die erfolgreiche Wahl sei ein bedeutender Schritt in Richtung von mehr Mitbestimmung und Schutz für die Beschäftigten bei Amazon in Witten. Sie stelle sicher, dass die Stimmen der Beschäftigten gehört werden und trage zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei, so Charjane. Ob es in Witten Stimmen und Versuche seitens Amazons gegeben habe, Gründung und Wahl zu beeinflussen oder in Zukunft Druck auf das Gremium befürchtet werde, darauf will Charjane aus »taktischen Gründen« nichts sagen.

Wie in fast allen Amazon-Sortier- oder Verteilzenten setzt sich der Betriebsrat bei Amazon in Witten ausgesprochen divers zusammen. »Vertreter aus allen Schichten, und sämtlichen Bereichen sowie verschiedenen Sprachgruppen finden sich im neu gewählten Betriebsrat«, erklärt die Gewerkschaftssekretärin. Auch seien unter 13 Betriebsräten zwei Frauen.

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Es ist im Sinne der Beschäftigten zu hoffen, dass die breite Aufstellung des Gremiums die vielfältigen Interessen und Anliegen der Belegschaft angemessen berücksichtigen. Der Betriebsrat hat inzwischen seine Arbeit aufgenommen und erste Schulungen sind geplant, erklärt Charjane auf »nd«-Anfrage weiter.

Unter anderem soll es eine bessere Schicht- und Personalplanung geben, um »Unterbesetzung zu vermeiden und den Mitarbeiter*innen eine bessere Planung ihres Privatlebens zu ermöglichen«, so Charjane. Der Betriebsrat will weniger Leiharbeit sowie mehr und schnellere unbefristete Arbeitsverträge erreichen. Dabei soll ein Fokus auf »bessere und transparentere Beförderungskriterien« gelegt werden.

Am Standort Witten arbeiten derzeit in der Spitze rund 1000 Menschen. Amazon betreibt in NRW drei Sortierzentren sowie 13 Verteilzentren im Logistikbereich. Während in den Sortierzentren Krefeld und Dormagen bereits Betriebsräte etabliert sind, ist die Wahl für Witten ein Novum.

Mittlerweile gibt es an zahlreichen Amazon-Standorten mit mehr als 400 Beschäftigten auch gewerkschaftliche Betriebsräte. Die Sozialwissenschaftlicherin und Autorin des Buches »Das Prinzip Amazon« Sabrina Apicella äußerte sich gegenüber dem NDR aber weiterhin kritisch. Sie habe die Beobachtung gemacht, dass Amazon mit gewerkschaftlichen Betriebsräten konfrontativer umgehe als mit Betriebsräten, die nicht gewerkschaftlich organisiert seien.

Viele gewerkschaftlich Aktive würden bei Amazon gegängelt. »Es gibt international zahlreiche Hinweise darauf, dass Amazon betriebliche Gewerkschaftsarbeit behindert«, sagte Apicella. Man versuche, über außerordentliche Kündigungen oder auslaufende befristete Arbeitsverträge aktive Betriebsräte loszuwerden.

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