Seelöwen als Kameraleute

Australische Forscher kartieren den Meeresboden mit tierischen Helfern

  • Barbara Barkhausen
  • Lesedauer: 4 Min.
Diese Seelöwen sind im Dienst der Wissenschaft unterwegs.
Diese Seelöwen sind im Dienst der Wissenschaft unterwegs.

Seelöwen, die sich im Seegras verstecken, sich zwischen Fischen, Delfinen und Haien tummeln oder eine Seelöwin, die ihrem Jungen das Jagen beibringt: Die 90 Stunden Material, die acht Seelöwen in Australien gefilmt haben, sind, wie einer der beteiligten Forscher in lokalen Medien sagte, »das beste Slow-TV überhaupt«.

Doch die Meeressäuger sollen die Wissenschaftler nicht unterhalten, sondern ihnen dabei helfen, den bisher weitestgehend unerforschten Meeresboden rund um Kangaroo und Olive Island südlich des australischen Festlandes zu kartografieren.

»Die Meeresböden der Welt sind wenig erforscht und unser Wissen ist lückenhaft«, erklärten die Forscher der University of Adelaide in einem Begleittext zu ihrer im Fachmagazin »Frontiers in Marine Science« veröffentlichten Studie. Letzteres bestätigt auch die US-Wetterbehörde NOAA, bei der es heißt, dass bis Juni dieses Jahres erst 26,1 Prozent des globalen Meeresbodens mit moderner hochauflösender Technologie kartiert worden seien.

Erst 26,1 Prozent des globalen Meeresbodens sind hochauflösend kartiert.

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Das Filmmaterial, das die Australischen Seelöwen (Neophoca cinerea) sammelten, half den Wissenschaftlern 5000 Quadratkilometer Meeresboden zu kartieren. Neben der Erforschung des Meeresbodens ging es den Forscherinnen und Forschern aber auch um ein besseres Verständnis dafür, wie Seelöwen die verschiedenen Lebensräume nutzen und wie Menschen diese Ökosysteme besser schützen können. Denn die australischen Seelöwen sind eine vom Aussterben bedrohte Art, deren Zahlen in den letzten 40 Jahren um mehr als 60 Prozent zurückgegangen sind.

Die Bilder brachten felsige Riffe und Seegraswiesen zum Vorschein und zeigten, welches Habitat die Seelöwen bevorzugen. Die Bilder offenbarten auch, dass manche Tiere lieber Fische fressen, während andere beispielsweise eine speziellere Vorliebe haben und nach kleineren Haien, Stachelrochen oder Tintenfischen suchen, wie Nathan Angelakis, ein Doktorand an der University of Adelaide, der die Studie leitete, in einer E-Mail schrieb. Fasziniert waren die Forschenden auch von den unterschiedlichen Jagdmethoden der Tiere wie das Umwerfen von Steinen, das Ausgraben von Sand oder das einfache Sitzen und Abwarten. »Wir hatten auch das Glück, Aufnahmen einer Mutter zu machen, die ihren Welpen auf einen Ausflug aufs Meer mitnimmt«, berichtete Angelakis. Dies habe erstmals einen direkten Beweis dafür geliefert, dass australische Seelöwenmütter ihre Fähigkeiten zur Nahrungssuche an ihre Welpen weitergeben.

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Bisher wurden für Studien eher ferngesteuerte Unterwasserfahrzeuge sowie Schlepp- und Abwurfkameras von Schiffen aus eingesetzt, um hochauflösende Video- und Bilddaten zu sammeln und eine detaillierte Kartierung und Vermessung des Meeresbodens zu ermöglichen. »Allerdings sind diese schiffsbasierten Untersuchungen kostspielig, zeit- und personalintensiv und hängen von geeigneten Wetterbedingungen ab«, schrieben die Forschenden. Dies würde die Kartierung großer Flächen zu einer Herausforderung machen.

Stattdessen mit Seelöwen zu arbeiten, biete »einzigartige Vorteile«, da vom Ufer aus mit wenig Personal und relativ geringen Kosten gearbeitet werden könne und Einsätze weniger abhängig von den Wetterbedingungen seien. Zudem könnten Videos aus Tiefen, Lebensräumen und Meeresgebieten gesammelt werden, die mit konventionellen Methoden nur schwer oder gar nicht zugänglich seien. Um die Tiere mit kleinen Kameras und Sensoren auszustatten, die ihre Geschwindigkeit wie auch ihren jeweiligen Standort übermitteln, verabreichten die Forschenden den Seelöwen über eine Atemmaske ein leichtes Betäubungsmittel. Die Kamera selbst wurde auf ein Stück Stoff geklebt, das dann mit Harz auf dem Fell des Seelöwen befestigt wurde. Als die Tiere dann nach ein paar Tagen zu ihren Jungen an Land zurückkehrten, entfernten die Forscher die Geräte wieder. Der Stoff bleibt auf dem Fell und fällt bei der nächsten Mauser ab.

Dass sich Wissenschaftler tierischer Helfer bedienen, ist übrigens nicht ganz neu. 2016 versuchte eine Studie mit Seeelefanten in Australien herauszufinden, wie das schmelzende Eis die Tiefen des Ozeans verändert. Dafür wurden dort lebende Seeelefanten mit Satelliten-Tags ausgerüstet.

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