Ein Pflaster aus Stammzellen

Künstlich erzeugtes Gewebe soll schwer geschädigte Herzen stärken

Ein Herzpflaster wird aus mehreren sechseckigen Teilen zusammengesetzt.
Ein Herzpflaster wird aus mehreren sechseckigen Teilen zusammengesetzt.

Die Wartezeiten für Spenderherzen in Deutschland sind lang, und viele Patient*innen versterben, bevor ein passendes Organ für sie gefunden ist. Eine Herztransplantation wird meistens dann notwendig, wenn eine schwere Herzmuskelschwäche vorliegt – etwa als Folge koronarer Herzkrankheit, Herzmuskelentzündung oder eines Herzinfarkts. Ist das Herz zu sehr geschwächt, aber noch kein Spenderorgan gefunden, kann zur Überbrückung auch eine mechanische Herzpumpe eingesetzt werden.

Eine alternative Behandlungsmöglichkeit könnten, wenngleich erst mittelfristig, »Pflaster« aus künstlich gezüchtetem Herzgewebe darstellen, die auf die geschädigten Herzen aufgebracht werden, wie eine nun veröffentlichte Studie an Rhesusaffen gezeigt hat. Gleichzeitig werden die »Herzpflaster« in klinischen Studien bereits menschlichen Patient*innen implantiert. »Wir konnten im Tiermodell zeigen, dass die Implantation von Herzpflastern zum dauerhaften Aufbau des Herzmuskels bei Herzinsuffizienz geeignet ist«, erklärt Wolfram-Hubertus Zimmermann vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Uniklinik Göttingen, der die Affenstudie geleitet hat und nun mit seinem Team weitere klinische Studien an Herzpatient*innen durchführt. 14 Patient*innen mit schwerer Herzinsuffizienz sollen in diesem Jahr im Rahmen der Studie ein Herzpflaster erhalten, insgesamt sollen es im Laufe der Studie 53 Patient*innen sein.

Zellen werden umprogrammiert

Das, was dort implantiert wird, ist Gewebe aus induzierten pluripotenten Stammzellen (ipS). Dabei werden menschliche Zellen zweimal umprogrammiert: Zunächst werden beispielsweise Zellen aus Bindegewebe wieder zu Stammzellen gemacht. Und diese Stammzellen werden dazu gebracht, sich zu Herzmuskelzellen zu entwickeln. Die etwa 100 Quadratzentimeter großen »Herzpflaster« bestehen aus einer Mischung von Herzmuskel- und Bindegewebszellen und sind bereits in der Kulturschale in der Lage zu schlagen, wie Zimmermann berichtet.

Im Affenmodell wurde die Behandlung von Herzinfarkt-Patient*innen simuliert. Das heißt, zunächst wurden die Herzen der Rhesusaffen geschwächt, dann wurde von außen Herzgewebe aus dem beschriebenen Verfahren implantiert. Nach drei bis sechs Monaten seien diese Herzgewebe gewachsen und hätten die Herzwände der Affen deutlich gestärkt, so Zimmermann.

Ähnlich sah es bei einer 46-jährigen Patientin aus, deren Herz bereits untersucht werden konnte, da sie ein Spenderorgan erhalten hatte. Am explantierten Herzen habe gezeigt werden können, »dass Herzmuskelzellen, die wir über ein Herzpflaster implantieren, auch tatsächlich da bleiben, wo wir sie hinimplantieren«, so Zimmermann. Auch die Pumpleistung der geschwächten Herzkammer war um einige Prozentpunkte gestiegen.

Keine Tumorbildung festgestellt

Die bisherigen Ergebnisse an Rhesusaffen und Menschen zeigen also, dass das Herzgewebe aus Stammzellen grundlegende Anforderungen erfüllt: Es bleibt an der richtigen Stelle, wirkt stabilisierend und unterstützt das Herz beim Schlagen. Doch genauso wichtig ist die Frage, ob das körperfremde Gewebe auch Schaden anrichten kann. Alessandra Moretti, Professorin für regenerative Medizin kardiovaskulärer Erkrankungen an der TU München, die sich ebenfalls mit Stammzellen beschäftigt und nicht an der Studie beteiligt ist, hebt positiv hervor, dass die Implantate bis jetzt keine Herzrhythmusstörungen verursacht haben. Außerdem hätten sie nicht zur Bildung von Tumoren geführt – ein bekanntes Risiko bei der Verwendung von Produkten aus pluripotenten Stammzellen.

Ein weiteres Problem bei der Verwendung von ipS ist, dass die Immunabwehr der Patient*innen nach der Implantation unterdrückt werden muss, damit das neue Gewebe nicht abgestoßen wird. Geforscht werde parallel auch an sogenannten hypoimmunen Herzpflastern, die keine Abstoßungsreaktionen im Körper hervorrufen. Aber: »Keiner weiß, ob eine hypoimmune Zelle nicht am Ende ein großes Tumorrisiko darstellt«, erklärt Zimmermann. Denn der Körper könne solche Zellen nicht abstoßen, selbst wenn sie entarteten.

Für die aktuellen Herzpflaster könnte, wenn es gut läuft, bereits 2026 eine Zulassungsstudie beginnen. Im Falle einer erfolgten Zulassung, würde es wahrscheinlich darum gehen, die Zeit bis zur Transplantation eines Spenderherzens zu überbrücken. Kostspielig werde dies zunächst sein, so Zimmermann; die Frage sei dann, wie diese im Vergleich zu mechanischen Pumpsystemen abschneide. Der Mediziner hofft, mit seinem Präparat einmal 20 000 Patient*innen pro Jahr behandeln zu können. Mit Agenturen

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