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Bernhard Nocht und Robert Koch: Lediglich Rassisten
Reicht es, wenn Namensgeber nur Proto-Nazis waren?
Anlässlich seines 125. Geburtstages hat sich das Hamburger Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin mit der Frage beschäftigt, ob sein Namensgeber und zeitweiliger Direktor rassistisch oder nationalsozialistisch oder beides war. Eigentlich wird bereits seit 2022 darüber diskutiert, ob der Name des Tropenmediziners aus heutiger Sicht überhaupt noch tragbar ist. Im Zuge dieser Debatte hat der Historiker Thomas Großbölting von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte in Hamburg nun ein Gutachten erstellt.
Kurz zusammenfassen lässt sich das Ergebnis so: Bernhard Nocht war ein für seine Zeit gewöhnlicher Rassist und Kolonialrevisionist. In Bezug auf die NSDAP, die an die Macht kam, als Nocht bereits emeritiert war, verhielt er sich opportunistisch und ließ sich auch gerne von den Nazis ehren. Diese benannten das Hamburger Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten im Jahr 1942 nach ihm. Doch Großbölting hält dem Arzt Nocht nun zugute, dass dieser niemals direkt an Menschenversuchen beteiligt war. An dieser Stelle sind zwei Sätze aus dem Gutachten bemerkenswert: »Bei NS- oder Kolonialprotagonisten, die unmittelbar Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben oder an Kriegs- oder Kolonialverbrechen unmittelbar beteiligt waren, verbietet sich eine Namensbenennung. Anders als beispielsweise bei Robert Koch, der unmittelbar als Mediziner und Forscher an Menschenversuchen mitwirkt, trifft das bei Bernhard Nocht nicht zu.«
Vergessen wir an dieser Stelle Bernhard Nocht, über dessen Rolle am Hamburger Institut nun weiter diskutiert wird. Denn hier lesen wir, dass der berühmte Robert Koch als Namensgeber nicht tragbar sei! Das ist höchst interessant, schließlich ist das zentrale Bundesinstitut für öffentliche Gesundheit, das RKI, nach dem berühmten Arzt benannt.
Im Jahr 1906/07 forschte Koch an der Behandlung der Schlafkrankheit in Ostafrika. Dabei propagierte er die Internierung von Erkrankten in »Konzentrationslagern« und behandelte sie mit dem arsenhaltigen Mittel Atoxyl, dessen Wirksamkeit gegen die Krankheit nicht einmal im Tierversuch nachgewiesen war. Und auch bei den Menschen zeigte sich mehr Nebenwirkung als Wirkung. Sie litten unter starken Schmerzen, ein Teil erblindete und ein Teil verstarb. Solche schweren Nebenwirkungen von Atoxyl waren Koch durchaus bekannt, und in Deutschland durfte das Mittel an Patient*innen nicht eingesetzt werden. Auf den Seiten des RKI werden die Experimente des berühmten Mediziners in Ostafrika knapp als »das unrühmlichste Kapitel seiner Laufbahn« abgehandelt – das Wort »Menschenversuch« sucht man in diesem Zusammenhang aber vergeblich. Ob das RKI nun umbenannt wird? Der Zeitgeist sagt: Nein.
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