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Ungelöstes Plastikproblem
Während auch im Globalen Süden das Plastikmüllaufkommen wächst, fehlen global Recycling- und Müllvermeidungskonzepte
Die Verhandlungen über ein globales Plastikabkommen sind im April in Ottawa ergebnislos geblieben. Erdölfördernde Länder und plastikproduzierende Industrie blockieren. Immerhin hat das Thema dadurch etwas Medienaufmerksamkeit erhalten. Das Problem ist gewaltig. Wurden 1950 jährlich 1,5 Millionen Tonnen Plastik hergestellt, so rechnet man für 2025 mit 500 Millionen Tonnen. Nahezu dieselbe Menge fällt auch als Müll an, denn selbst wenn der Stoff nicht als Einwegverpackung benutzt wird, sind Plastikprodukte kurzlebig. Die Recyclingquote liegt derweil auch in Industrieländern unter 10 Prozent und damit unter dem Anteil, der jedes Jahr direkt oder in Form giftiger Rückstände der Verbrennung unter freiem Himmel in der Umwelt landet.
Seit 2004 rücken immer mehr die kleinsten Plastikteile in den Fokus der Forschung. Als Mikroplastik bezeichnet man Teile und Fragmente mit einer Größe von weniger als fünf Millimetern, unterhalb von einem Zehntel Mikrometer spricht man von Nanoplastik. Diese kleinen Partikel finden sich inzwischen sogar an den Polen und im Hochgebirge, vor allem jedoch in den Ozeanen. Durch die sogenannte Bioakkumulation, also die Anreicherung in Organismen, gelangen sie zurück in unsere Nahrungskette. Speisefisch ist eine wichtige Quelle, aber auch Honig, Salz, Zucker, Wasser oder einfach die Atemluft. Wenig überraschend, dass die Plastikteilchen inzwischen auch in unserem Körper nachweisbar sind, etwa im Stuhl, Blut oder sogar der Plazenta.
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Kürzlich gelang es einem Team um die Wiener Forscherin Verena Kopatz, nachzuweisen, dass Nanopartikel des handelsüblichen Kunststoffs Polystyrol, indem sie auf körpereigenen Proteinen »huckepack fahren«, sogar die sensible Blut-Hirn-Schranke überwinden können. Nur zwei Stunden nach Verabreichung über die Nahrung konnte das Nanoplastik in Mäusehirnen nachgewiesen werden. Weitere zwei Stunden später war die Konzentration schon wieder geringer, was hoffen lässt, dass sich nicht das gesamte Plastik im Gewebe anhäuft.
Was Plastik im Körper anrichtet, wird gerade erst erforscht. Entzündungen, Störungen des Immunsystems, neuronale Störungen und Krebs stehen auf der Liste von Verdachtsfällen. Dabei wirkt der Fremdkörper nicht nur als solcher, sondern auch als Vehikel toxischer Substanzen, die dem Plastik zugesetzt wurden oder die es aufgrund seiner großen Oberfläche sehr leicht absorbiert.
Mikroplastik wird heute vielen Produkten direkt beigegeben, etwa Kosmetik, Medikamenten, Insektiziden oder Farben. Als sogenanntes sekundäres Mikroplastik entsteht es beim Abrieb von Autoreifen und Schuhsohlen oder bei der Zersetzung größerer Plastikteile. Und damit sind wir wieder beim Plastikmüll.
Um diesen zu bekämpfen, muss man wissen, wo er überhaupt entsteht und in die Umwelt eingetragen wird. Bisher verfügte man nur über grobe Schätzungen, aber nun bringt eine britische Studie, die auf Daten aus über 50 000 Gemeinden weltweit und komplexen Computermodellen beruht, mehr Licht in die Situation. Vor allem erlaubt sie eine genauere Lokalisierung der Müll-Hotspots und ein besseres Verständnis ihrer lokalen sozioökonomischen Ursachen, was entscheidend ist, will man gegen den Müll vorgehen.
Erwartungsgemäß produzieren die reichsten Länder auch den meisten Plastikmüll, ungefähr 170 Gramm pro Kopf und Tag. Allerdings verfügen diese Länder über funktionierende Entsorgungssysteme. Zwar haben auch sie keine gute Lösung, denn Recycling spielt nur eine winzige Rolle, und die »thermische Verwertung«, also Verbrennung, erzeugt ihrerseits Treibhausgase und giftigen Müll in Form von Schlacken und Filterstäuben. Immerhin gelangen nur geringe Mengen unkontrolliert in die Umwelt, wobei das achtlose Wegwerfen die Hauptursache darstellt.
In den ärmeren Ländern zeigt sich das umgekehrte Bild. Die Gesamtmengen an Müll sind zwar geringer, doch die Entsorgung ist oft unzureichend, wo sie nicht zur Gänze fehlt, weshalb große Mengen in die Umwelt gelangen. So geht Indien zwar politisch recht entschieden gegen Einwegplastik vor, aber auf dem Land fehlt teilweise jegliche Entsorgungsinfrastruktur. Exporte von Plastikmüll aus OECD-Ländern spielen übrigens in der globalen Bilanz eine immer geringere Rolle, sie sollen sich von 2017 bis 2022 mit 1,7 Millionen Tonnen auf ein Drittel reduziert haben. Vergessen sollte man dabei allerdings nicht, dass die EU nach China immerhin der zweitgrößte Produzent von Plastik ist und damit durchaus in der Verantwortung steht.
Besonders interessant ist der Pro-Kopf-Ausstoß von Plastikmüll in die Umwelt in den Schwellen- und Entwicklungsländern. Afrikanische Länder südlich der Sahara, die in absoluten Zahlen relativ wenig Müll produzieren, erweisen sich in dieser Betrachtungsweise als wahre Hotspots, was angesichts des dort signifikanten Bevölkerungswachstums höchst relevant ist. Bei dieser statistischen Aufschlüsselung geht es wohlgemerkt nicht darum, ausgerechnet den Ärmsten die Verantwortung für ein Problem zuzuschieben, das von den Industrienationen maßgeblich verursacht wird. Die statistische Auswertung zeigt vielmehr, an welchen Orten man relativ unkompliziert – etwa mit geordneter Deponierung – am einfachsten und effektivsten gegensteuern kann.
Bei der Frage, wie dem Problem beizukommen ist, sind sich die wissenschaftlichen Publikationen einig: Der einzige gangbare Ausweg ist die drastische Reduktion des Plastikaufkommens, auch wenn dies sehr unbequeme Umstellungen im Alltag bedeutet. Tatsächlich hat auch in der »Abfall-Hierarchie«, wie sie im Kreislaufwirtschaftsgesetz hochoffizielle Form angenommen hat, die Vermeidung den absoluten Vorrang vor Wiederverwendung, Recycling, thermischer Verwertung und Deponierung. Allerdings ist dies ein Bekenntnis ohne bindende Kraft. In Wahrheit setzt die Politik auf die rettende Wundertechnik des Recyclings, was in industriellem Maßstab oft nicht gut funktioniert und, wo doch, große Mengen Energie verschlingt. Ab Ende November wird das Ringen um ein Plastikabkommen in Südkorea in die nächste Runde gehen, aber Vorzeichen eines Durchbruchs gibt es bisher nicht.
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